Bildungszentrum Bestehornpark

(in: BAUKULTUR 5_2016, S. 18-19)

Das Bildungszentrum Bestehornpark entstand als Vorzeigeprojekt im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010. Die dominante, stadtbildprägende alte Papierfabrik Bestehorn wurde ertüchtigt und durch einen modernen Anbau nach Plänen der Stuttgarter Architekten LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei erweitert. Entstanden ist ein vielseitiger Bildungscampus, der die historische, raumgreifende Architektur mit der kleinteiligen Bebauung der Nachbarschaft in Einklang bringt.

Hochbau und Stadt-Umbau
Der Ortskern von Aschersleben wird seit dem Jahr 1911 durch ein übergroßes Fabrikgebäude bestimmt, das im Volksmund als „Hecknerriese“ bezeichnet wird. Der Name geht auf den Erbauer zurück, den Architekten und Stadtbaurat Hans Heckner, der bis in die 1930er Jahre hinein mehrere stadtbildprägende Bauten errichtet hatte. Seine an die Arbeiten Theodor Fischers erinnernde Architektursprache beruht auf dem Begriff des „Weiterbauens“, der Aspekte der heutigen Architekturdiskussion widerspiegelt.

Bestehornpark Altbau
Bildungszentrum Bestehornpark, Altbau nach Plänen von Stadtbaurat Hans Heckner (Foto: Stadt Aschersleben)

Nach der Wiedervereinigung verkam das Fabrikgelände zu einer Brache. Die Stadt beschloss, Teile des Areals abzureißen, den eigentlichen Hauptbau zum Bildungszentrum umzunutzen und um einen Neubau zu ergänzen. Dazu hatte Aschersleben einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem nicht nur Pläne für die Hochbauten, sondern zugleich auch die städtebauliche Neuordnung des gesamten Geländes mit größeren Freiflächen gefordert wurden. Diese sollten Grundlage und Teil der Landesgartenschau 2010 werden. Durch den Abbruch von Teilen des Bestands entstand eine ausgedehnte Freifläche, durch die der bestehende Park Herrenbreite angebunden werden sollte.

Stärkung des Stadtkerns
Die Architekten sahen einen sich senkrecht zum Altbau erstreckenden Riegel vor, der einen das Quartier von Süden nach Norden querenden Park ermöglichte. Dieser ist das eigentliche Verbindungsstück zwischen den beiden großen Parkanlagen der Stadt, die nunmehr zu einem Grünzug vereint werden konnten.  Hauptgebäude und Seitenflügel bilden einen großzügigen Campus. Leider war der ursprüngliche Gedanke, drei Schultypen in einem Volumen zu vereinen, nicht vollständig durchzuhalten. Dieser Umstand führte während der Planungs- und Bauphase zu mehrfachen Korrekturen. Bemerkenswert blieb aber die Zielsetzung, den Stadtkern der schrumpfenden Stadt zu stärken – eine immens wichtige politische und stadtplanerische Entscheidung. Sie bescherte der Gemeinde Räume für Bildung, die nach den aktuellen Richtlinien für Schulbauten weit weniger umfangreich ausgefallen wären.

Altbau
Zwei Schultypen teilen sich die Flächen im Altbau. Die enorme Tiefe des „Hecknerriesen“ von 24 m gestattete den Einbau einer zentralen Halle, die die einzelnen Geschosse über Galerien verbindet. Neue Atrien und Oberlichter bringen Tageslicht in den einst dunklen Fabrikkomplex. Ein blauer Anstrich unterhalb der Oberlichter findet sich im Blau der Fliesen im Sockelbereich wieder. Bei sämtlichen Fassaden handelt es sich um geschlämmten Klinker. Einzige Ausnahme bilden die prägnanten Balkone an der Schnittstelle von Alt- und Neubau, die in außergewöhnlicher Form aus der Fassade heraus treten und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie weisen wechselseitig nach Norden oder nach Süden. Hier ist das Material ursprünglich belassen und nicht geschlämmt.

Bildungszentrum Riegel im Bestehornpark
Bildungszentrum Bestehornpark, Erweiterungsbau nach Plänen von LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei (Foto: Stadt Aschersleben)

Neubau
Im neu errichteten Riegelbau enstanden Kreativräume und eine Galerie, die der Druckgrafik des Künstlers Neo Rauch gewidmet ist. Dieser Ausstellungsort tritt durch die Verbindung des historischen Industriebaus mit dem modernen Neubau in eine ganz besondere architektonische Korrespondenz. Im Inneren des Riegelbaus steht Sichtbeton im Kontrast zu den farbigen Treppenbrüstungen. Die Fassade besteht ebenfalls aus sandsteinfarben geschlämmtem Klinker. Die raue Struktur des Mauerwerks vermittelt zwischen Alt- und Neubau. Charakteristisch für den Neubau ist das rhythmische Auf und Ab der Dachlinie, die zwischen dem Fabrikbau und den nördlich angrenzenden Stadthäusern vermittelt. Sie zitiert die Historie des Ensembles und entsteht durch eingeschnittene Terrassen, die wechselseitige Belichtungen ermöglichen. So ergaben sich unterschiedliche Dachneigungen. Die Abtreppung des Dachs in Richtung Park gliedert den monumentalen Altbau verträglich in die angrenzende Landschaft ein.                                               
Da sich am Quartiersende ebenfalls zwei Schuleinheiten befinden, entstand durch die Anordnung des Neubaus ein zusammengehöriger Bildungscampus. Die alte Fassade konnte nicht ohne Bruch in die neue Ansicht übergehen, weil die Denkmalpflege, noch ganz in der Vorstellung des 20. Jahrhunderts verhaftet, Alt und Neu durch eine sichtbare Fuge getrennt sehen wollte. Abgesehen davon wurde durch die behutsame Sanierung die Qualität der Architektur Hans Heckners wieder sichtbar. Die sandfarbenen Fassaden des Neubaus stellen eine harmonische Verbindung zu den in warmen Grautönen gehaltenen Gebäuden der Umgebung her.

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