Zur Nachforderung bei fehlenden Angaben im VOF-Verfahren

Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 04.12.2015 – Verg 8/15 – u.a. Folgendes entschieden:

1. Eine Nachforderung fehlender Erklärungen gemäß § 5 Abs. 3 und § 11 Abs. 3 VOF, die im Ermessen der Vergabestelle steht, kommt nur für solche Erklärungen in Betracht, die dem Nachweis der Eignung dienen bzw. im Rahmen der Angebotsphase von Bedeutung sind.
2. Voraussetzung einer Nachforderung nach diesen Vorschriften ist, dass die fragliche Erklärung fehlt, weshalb inhaltlich unzureichende Erklärungen nicht nachgefordert werden können.

Eine Hochschule, d.h. ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte einen Auftrag über ein Gutachten über einen speziellen Instandsetzungsbedarf im Verhandlungsverfahren gemäß VOF europaweit ausgeschrieben. In der Vergabebekanntmachung war u.a. vorgeschrieben, dass Bewerber einen verantwortlichen Projektbearbeiter benennen mussten, der die Berufsbezeichnung "Architekt" oder "Ingenieur" führt und über ein entsprechendes Diplom verfügen musste. Aus den über 30 für geeignet befundenen Bewerbern wählte der AG im Teilnahmewettbewerb letztlich drei Bewerber aus, die zu weiteren Verhandlungen eingeladen werden sollten. Die hierbei nicht berücksichtigte Bewerbergemeinschaft, die aus drei Mitgliedern bestand, legte Nachprüfungsantrag gegen die Auswahlentscheidung ein. Der AG schloss diese Bewerbergemeinschaft nachträglich wegen Unvollständigkeit ihres Teilnahmeantrags aus, weil diese nur für zwei ihrer drei Mitglieder einen Projektverantwortlichen mit der Berufsbezeichnung "Architekt" bzw. "Ingenieur" benannt hatte. Die Bewerbergemeinschaft war der Ansicht, dass vor einem Ausschluss der AG fehlende Erklärungen hätte nachfordern müssen.

Das KG gibt hier dem AG Recht; der Teilnahmeantrag sei zu recht ausgeschlossen worden. Insbesondere sei der AG nicht verpflichtet gewesen, die fehlende Erklärung über einen Projektverantwortlichen gemäß § 5 Abs. 3 VOF nachzufordern. Unvollständige Teilnahmeanträge und Angebote seien aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Transparenzgebots grundsätzlich stets auszuschließen, wenn nicht ausnahmsweise eine gesetzliche Vorschrift zur Nachfristsetzung verpflichte. Derartige Ausnahmevorschriften, nämlich § 5 Abs. 3 VOF und § 11 Abs. 3 VOF seien auf die hier in Rede stehende Benennung der Projektverantwortlichen jedoch nicht anwendbar. Denn § 5 Abs. 3 VOF beziehe sich auf Erklärungen, die dem Nachweis der Eignung dienten, während § 11 Abs. 3 VOF sich auf Erklärungen beziehe, die im Rahmen der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens – der Angebotsphase – von Bedeutung seien. Die hier in Rede stehende Benennung von Projektverantwortlichen diene aber weder dem Nachweis der Eignung der Bewerber, noch zu Zwecken, die der Angebotsphase vorbehalten seien, sondern lediglich dem Interesse der Vergabestelle, zuständige Ansprechpartner benannt zu erhalten. Darüber hinaus setzten beide Vorschriften voraus, dass die fragliche Erklärung fehle, weshalb sie nicht eingriffen, wenn der Bieter eine Erklärung abgegeben habe, diese aber inhaltlich unzureichend sei. Hier seien die Angaben zu den Projektverantwortlichen jedoch inhaltlich unzureichend, weil sie den Anforderungen der Vergabebekanntmachung nicht genügten. Schließlich stehe einer Nachforderung nach § 5 Abs. 3 VOF im Ermessen der Vergabestelle. Dieses Ermessen verdichte sich nur im Ausnahmefall zu einer Nachforderungspflicht, wenn im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung nur die Nachforderung ermessensgemäß wäre. Dafür biete der konkrete Fall aber keinerlei Anhaltspunkte.

Anmerkung:

Bietern speziell im VOF-Verfahren ist zu raten, sich nicht darauf zu verlassen, dass der AG stets Nachweise und Erklärungen nachfordern muss, wenn geforderte Erklärungen inhaltlich unvollständig sind. Die Ausführungen des Gerichts zum Nachforderungsermessen (innerhalb § 5 Abs. 3 und § 11 Abs. 3 VOF) sind zumindest zweifelhaft, da sie im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung z.B. des OLG Düsseldorf stehen (Beschluss vom 07.11.2012 – Verg 12/12), der für § 5 Abs. 3 und § 11 Abs. 3 VOF ausdrücklich eine Nachforderungspflicht des Auftraggebers postuliert. Größere Klarheit wird hier ab April 2016 der neue § 56 Abs. 2 VgV bringen, wonach die Nachforderungspflicht grundsätzlich im Ermessen des AG steht und dieser auch ausdrücklich berechtigt ist, in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen festzulegen, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.

Weitere Informationen: ZIRNGIBL LANGWIESER, Rechtsanwälte Partnerschaft, www.zl-legal.de

Ansprechpartner: Thomas Schneider, Rechtsanwalt, Tel.: 030 - 880 331 - 234, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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