Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne

(in: BAUKULTUR 2_2013, S. 24-25)

In Thalheim bei Wels, Österreich, entstand der Neubau eines energieeffizienten Forschungs- und Entwicklungszentrums nach Plänen des Architekturbüros schneider+schumacher, Frankfurt/Wien.

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Das Forschungs- und Entwicklungszentrum des Unternehmens Fronius International entstand auf einem rund 27.000 m² großen Grundstück (Foto: Kirsten Bucher)

Zukunft hat Herkunft
Weltweit ist die Fronius International GmbH als Produzent und Entwickler für Batterieladesysteme, Schweißtechnik und Solarelektronik tätig. Seine Verbundenheit mit Region, Umwelt und Mitarbeitern bringt das Unternehmen mit dem Leitspruch „Zukunft hat Herkunft“ zum Ausdruck.

Ausgangssituation
2006 lobte Fronius einen internationalen Wettbewerb zum Neubau eines Forschungs- und Entwicklungszentrums aus. Das Architekturbüro schneider+schumacher, Frankfurt/Wien, konnte mit seinem Konzept überzeugen: Der Entwurf bewegt sich im Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Die Architekten interpretieren traditionelle Gestaltungselemente neu und kombinieren sie mit innovativer Gebäudetechnik und regenerativen Energien. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Fronius und schneider+schumacher wurde im Oktober 2012 mit dem ZV-Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten in Österreich ausgezeichnet.

Gebäudestruktur
Das im Herbst 2011 fertig gestellte Forschungs- und Entwicklungszentrum entstand auf einem rund 27.000 m² großen Grundstück, das sich als Dreieck zwischen dem Fluss Traun, einer Wohnsiedlung und Baumbeständen aufspannt. Der Komplex besteht aus zwei ringförmigen Baukörpern, die in der Höhe um ein ganzes Geschoss versetzt sind und so Raum für die Anlieferung und Erschließung der Garage auf der Verlängerung des Vorplatzes schaffen. Gleichzeitig nutzt dieser Versatz die topographische Neuordnung des Areals, die das Geländeniveau nach Norden zum Flussdamm und nach Westen zur Wohnbebauung hin anhebt, um den tiefer liegenden Betriebshof in sich aufzunehmen. Die Gebäudestruktur erinnert an „Vierkanter“ – traditionelle Gutshöfe, die besonders in der Region Linz-Wels-Steyr-Amstetten verbreitet sind.

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Atrien und senkrecht dazu angeordnete, vorgelagerte Magistralen fördern die Kommunikation unter den Mitarbeitern (Foto: Kirsten Bucher)

Innenraumplanung
Auf der unteren Ebene befinden sich die Labore, im Obergeschoss liegen die Büroräume. Atrien und senkrecht dazu angeordnete, vorgelagerte Magistralen fördern die Kommunikation unter den Mitarbeitern. An den schmalen Enden des Komplexes sind die Gemeinschaftsbereiche wie das Mitarbeiterrestaurant und allgemeine Treffpunkte – „Energy-Points“ genannt – untergebracht, die direkt mit dem Außenbereich verbunden die Natur in den Arbeitsalltag integrieren. Die Architektur bringt die Werte des Unternehmens angemessen zum Ausdruck: Klarheit und Einfachheit in der Anordnung der Baukörper, offene und flexible Büro- und Laborstrukturen mit sehr guter Orientierung, angemessene Materialien und eine ruhige Farbgebung.

Innovatives Fassadenkonzept
Auch die Fassade greift die Firmenphilosophie auf. Die intelligente Hülle interpretiert das traditionelle Konstruktionsprinzip des Kastenfensters neu und ergänzt es mit einem speziell entwickelten Trommelelement um einen innovativen Teil. Die Konstruktion besteht aus Fensterbändern, die mit rückseitig emaillierten Glasscheiben verkleidet sind.
Transparente und opake Fassadenelemente alternieren: Die inneren Fassadenelemente teilen sich in ein transparentes, fest verglastes Seitenfeld und einen opaken, einachsig zu öffnenden Drehflügel mit Lüftungstrommel. Die Konstruktion wird dem Wunsch der Nutzer nach natürlicher Belüftung und viel Tageslicht gerecht und leistet zugleich mit ihren zeitgemäßen Dämmwerten einen positiven Beitrag zur Energie-Bilanz des Gebäudes. Einerseits überwindet die Fassade die Trennung von Innen und Außen durch Ausblicke ins Grüne. Andererseits bildet sie die physikalisch-technische Haut für ein komplexes Inneres und schützt die Mitarbeiter, Apparaturen und Ideen des Bauherrn vor Einblicken. Dabei widersteht sie mit ihrer ruhigen und klaren Formensprache allem Modischen.

Energiekonzept
Für das Unternehmen kam nur ein innovatives Energiekonzept unter Nutzung von regenerativen Energiequellen in Betracht. Entscheidendes Kriterium war hierbei die bedarfsgerechte Deckung der Energienachfrage mit Anlagetechniken, die im Grundlastbereich hohe Wirkungsgrade aufweisen und sich ganzjährig sinnvoll nutzen lassen.
Bei den Test- und Entwicklungsarbeiten fällt eine enorme Menge an Wärmeenergie aus diversen elektrischen Einrichtungen (Lastwiderstände, Regeltransformatoren usw.) an. Das Konzept, das von der Arup Deutschland GmbH und schneider+schumacher gemeinsam mit dem Bauherrn entwickelt wurde, sieht vor, diese Energie für die Beheizung des Gebäudes zu nutzen. Technisches Highlight des Komplexes ist dabei das seinerzeit größte Erdsondenfeld der EU. Zusätzlich zur Stromerzeugung durch Photovoltaik-Elemente stellt die 204 Erdsonden umfassende geothermische Anlage die Energieversorgung des Zentrums sicher.
Die beim Betrieb anfallende, überschüssige Wärmeenergie, die im Sommer nicht genutzt werden kann, wird in dem Erdsondenfeld saisonal gespeichert und kann so für die Beheizung des Gebäudes im Winter genutzt werden. Mit Hilfe einer Uferfiltratanlage (Flusswasser der angrenzenden Traun) besteht die Möglichkeit, das Gebäude und die Prozesstechnik im Sommer zu kühlen.

Fazit
Das Anforderungsprofil des Bauherrn, welches sich zwischen den Eckpunkten nachhaltiges Bauen, kommunikative Arbeitsatmosphäre und dem unmittelbaren Bezug zur Natur bewegt, wurde in Gebäudestruktur und Gebäudetechnik erfolgreich umgesetzt. Neben aller Funktion und technischer Raffinesse ist das Forschungs- und Entwicklungszentrum ein Ort der Begegnung und Kommunikation geworden – ohne den Bezug zur Umwelt zu verlieren.

Genderhinweis
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