Studienreise des AIV Magdeburg nach Berlin

Besichtigung der Botschaftsgebäude, des Flughafens Tempelhof und der Verkehrsmanagementzentrale Berlin

in: BAUKULTUR 1-2009 (S. 14-15)

Im ersten Teil der Studienreise am 2.9.2008 stand die Besichtigung einzelner Botschaftsgebäude auf dem Programm. Der zweite Teil führte in die Verkehrsmanagementzentrale der Stadt Berlin im Komplex des Flughafens Berlin Tempelhof.
Die Nachwendebauten in Berlin haben generell einen höheren baukulturellen Standard als anderswo in Deutschland. Das gilt in besonderem Maße für die neuen Botschaftsgebäude, bei denen sich die akkreditierten Länder selbst darstellen und ihre landestypischen Besonderheiten sichtbar werden lassen. Der Besuch dieser Bauten war somit auch ein Streifzug durch die Gegenwärtigkeit der internationalen Baukultur und durchaus wegweisend für die gesteckten Ziele des AIV Magdeburg. Das Renommé des Vereins als fachlicher Partner der Architektur wurde durchaus von allen Botschaftsleitungen anerkannt und begrüßt.

Nordische Botschaften
Die Vision, 5 nationale Botschaftskanzleien durch ein öffentliches Gemeinschaftshaus zu verknüpfen, entsprach der Grundidee vom Gefühl der Einheit bei gleichzeitiger individueller Freiheit. So vereint das sog. Felleshus unter einem Dach die Sicherheits-, Arbeits- und Repräsentationsfunktionen der Nordischen Botschaften und dient zudem als zentrale Passage. Die glasüberdachte Eingangshalle erstreckt sich über alle Geschosse und wird von schlanken Säulen flankiert. Wände und Stützen bestehen aus Sichtbeton. Ahornholz schafft dazu eine warme, helle Atmosphäre. Der Boden ist aus hellem schwedischem Marmor. Das Gebäude präsentiert den Besuchern ein funktional-modernes und einladendes Ambiente.

AIV Magdeburg Studienreise Berlin

Die 5 Botschaftsgebäude sind zueinander so gruppiert wie man sie auf einer Landkarte vorfindet. Drei Wasserbecken zwischen den Einzelbauten verweisen auf die verbindenden Meere. Eingefasst sind die Nordischen Botschaften von einem fast 230 m langen und 15 m breiten Kupferband, dem Markenzeichen der Architekten Berger und Parkkinen. Es besteht aus rund 4.000 vorpatinierten Lamellen und verleiht dem Komplex ein einheitliches Erscheinungsbild.

Österreichische Botschaft
Südlich des Tiergartens bildet das von Hans Hollein geplante Gebäude das architektonische Entree auf der Ostseite des Berliner Diplomatenviertels. Es liegt nur wenige Meter vom Grundstück der ehemaligen Österreichischen Gesandtschaft aus der Zwischenkriegszeit entfernt. Das 3698 m² große Grundstück wurde von der Republik Österreich nach dem Beschluss erworben, dass Berlin wieder gesamtdeutsche Hauptstadt werden soll.
Das Botschaftsgebäude besteht aus drei ungleichen Baukörpern: Von einem ellipsenähnlich geschwungenen Teil an der Ecke Tiergarten-/ Stauffenbergstraße gehen zwei Flügel aus: Der graue Flügel entlang der Stauffenbergstraße beherbergt den Bürotrakt und im obersten Stockwerk eine Galerie; der Flügel im hinteren Teil des Grundstücks Repräsentationsräume und die Residenz des Botschafters. Neben der Botschaft ist im Gebäude auch die Außenhandelsstelle untergebracht.

Spanische Botschaft
Die Spanische Botschaft wurde 1938-43 im neoklassizistischen Stil von den Brüdern Walter und Johannes Krüger errichtet. Als Bauherr fungierte die Reichsbaudirektion Berlin, eine Behörde des Reichsfinanzministeriums. Bei dem Gebäude handelt es sich um einen Zweiflügelbau über spitzwinkligem Grundriss, an dessen abgeschrägter Ecke sich der repräsentative Haupteingang befindet. Der westliche Flügel (Residenztrakt) liegt an der Thomas-Dehler-Straße und schließt an die in den 1940er Jahren gebaute ehemalige Dänische Gesandtschaft an. Der östliche Flügel (Kanzleitrakt) liegt an der Liechtensteinallee. Die beiden Flügel umschließen einen begrünten Innenhof.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Kanzleitrakt durch Bomben schwer zerstört und in den 1960er Jahren durch Johannes Krüger wieder aufgebaut. Die Spanische Botschaft befand sich jedoch in Folge der Teilung Deutschlands in Bonn. Nach der Rückverlegung der Hauptstadtfunktionen nach Berlin wurde das Gebäude 1998-2003 unter der Leitung der spanischen Architekten Jesús Velasco Ruiz und José de Onzono y Angulo umgebaut und modernisiert. Dabei wurde der Kanzleiflügel abgerissen und durch einen historisierenden Neubau ersetzt. Der Residenzflügel wurde bis auf das Treppenhaus und die Fassade abgerissen und neu gebaut. Die Symbole des Franco-Regimes wurden beseitigt und dabei auch das Wappen über dem Haupteingang durch das heutige Staatswappen ersetzt.
Die Raumfolge des im Innern schlossähnlichen Gebäudes ist streng symmetrisch, die Ausstattung von hervorragendster Qualität mit vielen wertvollen Gobelins aus dem 18. Jahrhundert.

Mexikanische Botschaft
Die von den Architekten Teodoro Gonzáles de Léon und Francisco Serrano an der Klingelhöferstraße errichtete Botschaft von Mexiko ist im Jahr 2000 eingeweiht worden. Die skulptural ausgebildete Front besteht aus einem gebäudehohen Rahmen, in den eine dichte Abfolge schlanker Stützen integriert ist. Für die bestimmende weiße Farbgebung wurde dem Beton Marmormehl beigemengt.

AIV Magdeburg Studienreise Berlin
Jede einzelne Stütze weist einen anderen Querschnitt auf, der sich horizontal stetig verändert und im Vorbeigehen verschiedenste Einblicke auf die dahinter liegende Glasfassade zulässt. Die Anordnung der Stützen leitet den Besucher zum Eingangsbereich und lässt einen städtebaulichen Zusammenhang zwischen Straßenraum und öffentlichem Gebäude entstehen.

Flughafen Tempelhof
In den 1930er Jahren stand der Flughafen Tempelhof mit seinem Verkehrsaufkommen noch vor Paris, Amsterdam und London an der Spitze des europäischen Flugverkehrs. Im Jahr 1934 wurde durch den Architekten Ernst Sagebiel eine Erweiterung geplant, die sowohl den zeitgemäßen Ansprüchen ans Monumentale und den neuen städtebaulichen Vorstellungen entsprach als auch die Entwicklung der Luftfahrt für einen längeren Zeitraum vorwegnehmen musste. Der Flughafen war für bis zu 6 Mio. Passagiere pro Jahr geplant. Die Anlage sollte aber nicht allein dem Luftverkehr dienen, sondern auch für Veranstaltungen wie den Reichsflugtag genutzt werden und möglichst vielen Luftfahrt-bezogenen Dienststellen und Institutionen einen Sitz bieten. Das ab 1936 entstandene Flughafengebäude war damals mit einer Bruttogeschossfläche von 284.000 m² das flächengrößte Gebäude der Welt.
Die Gesamtlänge des bogenförmigen Teils des Gebäudes beträgt etwa 1,2 km und ist damit eines der längsten Gebäude Europas. Das Flugfeld wurde als ovaler Rasenplatz mit annähernd 2 km Durchmesser angelegt, sodass die zu diesem Zeitpunkt noch relativ leichten Flugzeuge, unter anderem die Junkers Ju 52/3m, jeweils exakt gegen den Wind starten und landen konnten. Das Flughafengelände konnte auf über 4,5 Mio. m² erweitert werden. Auf diesem Gelände wurde die neue Flughafenanlage konstruiert, ohne dass es während der Bauarbeiten zu einer Beeinträchtigung des Flugbetriebes kam.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verkündete am 7.6.2007 den Bescheid zur Entwidmung des Flughafengeländes zum 31.10.2008. Gegen diesen Bescheid wurden zwei Klagen beim Oberverwaltungsgericht eingereicht, die jedoch auf die Einstellung des Flugbetriebes zu diesem Termin keine Auswirkung hatten.

Verkehrsmanagementzentrale Berlin
Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stellte am 5.3.2008 als Folgenutzungskonzept für das Flughafengelände das städtebauliche Projekt Tempelhofer Freiheit vor. Teil dieses Nutzungskonzepts ist die in dieser Form in Deutschland einmalige Verkehrsmanagementzentrale Berlin der „VMZ Betreibergesellschaft GmbH“. Sie wurde 2003 im Seitentrakt des Hauptgebäudes installiert. Das Betreibermodell ist ein PPP Modell der Daimler Chrysler Financial Services AG und der Siemens AG.
Die Verkehrsmanagementzentrale beobachtet, leitet und regelt den Individualverkehr der Stadt und der angrenzenden Autobahnen von Berlin. Über 230 Detektoren im Straßenraum, über Sensoren der Verkehrbetriebe sowie über Videokameras an Brennpunkten wird die Verkehrslage ermittelt und ein Verkehrslagebild dargestellt. Anhand dieser Daten können Polizei, Rundfunk und Verkehrsbetriebe den Verkehrsteilnehmern entsprechende Handlungsstrategien und Verkehrswarnungen übermitteln. Ein besonderer Nutzer ist der Wirtschaftsverkehr, der für die zur Verfügung gestellten Dienste Gebühren an die Betreibergesellschaft entrichtet.
Die ingenieurtechnischen Leistungen zur Errichtung und zum Betrieb der Zentrale wurden von Axel Schultz, dem Geschäftsführer der VMZ, erläutert und im Anschluss in einer Sendung life demonstriert.

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