(in: BAUKULTUR 3_2015, S. 18-19)
Bei der Entwicklung des Lausitzer Seenlandes steht die Frage im Vordergrund, wie die landschaftlichen Potenziale der neu entstehenden Gewässerlandschaft touristisch profiliert werden können. Mit dem Bau des Stadthafens Senftenberg wurde ein regionales Schlüsselprojekt zur Stärkung der Beziehung zwischen Stadt und Tagebaufolgelandschaft realisiert. Der erste Preis des Realisierungswettbewerbs im Rahmen der IBA See ging an bgmr Landschaftsarchitekten mit ASTOC Architects and Planners und Ecosystem Saxonia.
Stadthafen Senftenberg (Foto: © Hanns Joosten)
Baukulturelle Aufgabe
Bereits in den 1960/1970er Jahren wurde der staubige und umweltbelastende Tagebau mit der Flutung des Senftenberger Sees in eine landschaftsbezogene Wasserlage transformiert. Die Maßnahme stand am Beginn der sukzessiven Entstehung einer Erholungslandschaft in unmittelbarer Nähe zur Stadt. Die Herausforderung und das Anliegen der Stadt Senftenberg und der IBA See bestanden darin, den Hafen als urbane Intervention und Bindeglied zwischen Stadt- und Erholungslandschaft zu entwickeln.
Nach einer Realisierungszeit von zwei Jahren und 2-jährigem Betrieb zeichnet sich ab, dass dieses Anliegen zukunftsweisend umgesetzt wurde. Wesentlicher Erfolgsfaktor war, dass das „technische Bauwerk" Hafen von Beginn an als baukulturelle Aufgabe verstanden wurde. Der Hafen sollte zudem mehr leisten als ein reiner Funktionshafen. So verbindet er heute Stadt und Wasser durch mehrdimensionale Nutzungsangebote und dient als Motor für die urbane Neudefinition und Weiterentwicklung der Stadt.
Interdisziplinäre Planung
Der im April 2013 fertig gestellte Hafen hat sich als elementarer Bestandteil des IBA-Projekts „SeeStadt Senftenberg" zum Anziehungspunkt in der Lausitzer Seenlandschaft entwickelt. Er ist über den Steindamm in die Stadtraumfolge Altstadt-Schlosspark-See eingebunden. Darüber hinaus ist er als Seehafen fester Bestandteil der gereiften Folgelandschaft. Die urban-maritime Atmosphäre macht diese Mittlerfunktion deutlich erfahrbar.
Das Projekt wurde durch ein interdisziplinäres Team von Landschaftsarchitekten, Architekten, Stadtplanern, Tragwerks- und TGA-Planern sowie Bau- und Wasserbauingenieuren in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Zweckverband Lausitzer Seenland geplant. Die Schnittstelle zwischen technischer Infrastruktur und Baukultur war im Planungsteam als Aufgabe definiert. Über das unmittelbare Hafenumfeld hinaus waren die städtischen Bezugsräume von Beginn an in die Planungen einbezogen. Bereits in der Bauzeit entstanden Neubauten wie das Hafenfunktionsgebäude und das so genannte WAL-Gebäude des Wasserzweckverbands. Ebenso wurde das Bieterverfahren für ein neues Café und Hotel am Hafen erfolgreich abgeschlossen. Folgeinvestitionen konnten somit auf den Weg gebracht werden.
"Aussichtsbalkon" an der Westmole (Foto: © Hanns Joosten)
Schalenförmige Anordnung
Die unterschiedlichen Nutzungen sind schalenförmig um das Hafenanlage angeordnet und auf diese Weise gestalterisch und funktional klar gegliedert. Die höher liegende, städtisch orientierte Ebene beinhaltet Servicefunktionen, ein Hotel und Gastronomieangebote. Die untere Ebene ist als Hafenpromenade mit Anbindung an den Uferrundweg nutzbar. Als innerste Schale besetzt ein ca. 500 m langer Steg (Südwestmole-schwimmend, Nordufer-fest, Ostmole-schwimmend) die Schnittstelle zum See. Der Übergangsbereich von Steg und Hafenpromenade sowie die äußere Begrenzung der Steganlage werden durch ein Sockelband aus hochwertigen Weißbetonelementen mit eingeschnittenen Sitzgelegenheiten, Treppen und Rampen flankiert.
Im Bereich der Westmole steigt der Seebrückenkopf bis auf 5 m Höhe über den See auf und bildet als Aussichtsbalkon den süd-westlichen Abschluss des Hafenareals. Das Bauwerk lagert auf einer 80 m langen und 8 m breiten mehrteiligen Betonschwimmstegkonstruktion.
Durch die Realisierung schwimmender Molen und Anleger konnte die Uferzone trotz fehlender Gründungsebene baulich besetzt werden. Die entwickelten Sonderkonstruktionen für die Verankerung der schwimmenden Bauteile im Seegrund sind innovatives Vorbild für zukünftige Erschließungen vergleichbarer Lagen im Seenland.
Landseitig ist die mit großformatigen, in drei Farbnuancen changierenden Platten ausgestattete Promenade hafentypisch flexibel nutzbar. Sie nimmt die vorhandenen Wege der angrenzenden Uferparklandschaft auf und bindet über Rampen und großzügige Freitreppen die angrenzenden Nutzungsebenen an.
Im Hafen befinden sich Liegeplätze für 150 Sportboote, eine Bootstankstelle und eine Slipanlage. Der Anleger für die Fahrgastschifffahrt besteht aus dem Sanitärtrakt im Osten, dem Lager in der Mitte und der Hafenmeisterei im Westen mit dazwischen liegenden Treppenanlagen. Westlich des Stadthafens sind Flächen für weitere private Investitionen im Tourismusbereich vorgesehen.