DAI Zeitschrift: 25 Jahre „Baukultur - Ein Rückblick
Im Herbst 1979, erschien erstmalig eine Zeitschrift mit dem Namen „Baukultur". Dieser Name war eine Begriffsschöpfung des Chefredakteurs Paulgerd Jesberg. Den Begriff Baukultur gab es bis dahin nicht. Wenngleich sich die Zeitschrift nicht als Trend bestimmend etablieren konnte, gehört doch der Titel als Begriff heute unmittelbar und nachhaltig zum Vokabular in der Auseinandersetzung mit Architektur,“ schreibt Ludwig Fromm, Professor an der Muthesius-Hochschule Kiel, in der Einleitung zu „Grundlagen einer Baukulturkritik“. Der Begriff Baukultur war in architektonischen und politischen Zusammenhängen schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchlich. Er bereitete jedoch große Schwierigkeiten und es verlangte lange Diskussionen, ihn als Titel für das Verbandsorgan des DAI anzuerkennen. Obwohl der Begriff Baukultur die Gesamtheit der geistigen und materiellen Formen der Lebensäußerungen des Bauens umfasst und damit eine der Zielsetzungen des DAI beschreibt.
Entscheidende Förderung und Hilfe zur Neuorientierung kamen von zwei Bauingenieuren, Dipl.-Ing Oskar Klee, Leiter der Hauptniederlassung von Dyckerhoff & Wiedmann, Mannheim und Karl-Wilhelm Bergmann, Beratender Ingenieur in Hannover. Doch der damalige Präsident des DAI, Dipl.-Ing. Joachim Darge, Ltd. Senatsrat in Berlin erkannte und begrüßte in der Erstausgabe im Herbst 1979 die Ziele der „Baukultur“, „die gesamtkulturelle Aufgabe aus dem fachübergreifenden Auftrag von Architekten und Ingenieuren“, weiter zu tragen, um „eine lebenswerte und menschenwürdige Umwelt aus allgemein gesellschaftlicher Verantwortung zu verwirklichen“.
Die Tätigkeiten der einzelnen Architekten- und Ingenieurvereine seit 1842 waren immer begleitet von Fachzeitschriften und der Deutsche Architekten- und Ingenieurverband, DAI (heute: Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.), gab seit der Gründung 1871 die „Deutsche Bauzeitung“ heraus. Das Wiederaufleben des DAI nach 1948 war seit 1962 ebenfalls begleitet vom Verbandsorgan „Deutsche Architekten und Ingenieurzeitschrift“, die im Verlag P.A. Santz, Karl Mintenbeck, Altena (Westf.) erschien und von Oberingenieur Fritz Kunde redigiert wurde, bis mit Ausgabe 10/70 der Geschäftsführer des DAI, Friedrich Wilhelm von Graevenitz, die Schriftleitung übernahm.
DAI Präsident Dr.-Ing. Hans Peter Oltmanns, Ministerialdirektor im Bundesbauministerium in Bonn, setzte neue Impulse und übertrug ab Januar 1973 Martin A. Schmitt, Chefredakteur der „Bauwirtschaft“ im Bauverlag Wiesbaden, die Redaktion der DAI Zeitschrift. Diesem stand Baudirektor Dipl.-Ing. Paulgerd Jesberg, Schriftführer im DAI Vorstand zur Seite. Jährlich erschienen 12 Ausgaben, wobei die Ausgaben 7/8 wie 12 /1 gebündelt waren. Die Themen durchmaßen ein breites Spektrum und reichten von Museumsbau, Wohnen im Alter, Freizeit und Spiel, Theater und Bühne, Friedhof und Denkmal bis zu Verkehrsbauten, Ingenieur- und Brückenbauten sowie von Ausbildung über die ästhetische Bildung bis hin zur Elitebildung.
Mit der Ausgabe 5/1975 ging die DAI Zeitschrift an den deutschen Consulting-Verlag in Wuppertal. Die Redaktion übernahm Paulgerd Jesberg zusammen mit dem vom Verlag bestellten Redakteur Wolfgang Laudage. Jetzt kamen zur gebotenen Themenvielfalt „DAI Texte“ als Sonderausgaben hinzu: 1975 „Neues Bauen in alten Städten“, Münster; 1977 „Trulli Fera - Gestalt und Konstruktion der Trulli auf der Margia in Apulien“, von Prof. Dr.-Ing. Martin Graßnick, Kaiserslautern.
1979 geriet die DAI Zeitschrift in Turbulenzen. Sie ging an den Girardet-Verlag, Wuppertal, der nur wenige Ausgaben herausgab, bis er mit Ausgabe 6/1979 Verlag und Druck ganz einstellte, jedoch den Titel „Deutsche Architekten- und Ingenieur-Zeitschrift“ behielt, der formal nicht Eigentum des DAI war. DAI Nachrichten überbrückten die Vorbereitungszeit bis im November die Erstausgabe der „Baukultur“ erscheinen konnte, der jeweils sechs Ausgaben im Jahr im Architekten- und Ingenieur-Verlag, Niederhausen/Ts. folgen sollten. Die „Baukultur“ schlug bereits mit dem Untertitel „Technik . Wissenschaft . Kunst . Umwelt“ einen neuen Ton an, der die Breite des beabsichtigten Spektrums umriss und führte sich mit dem Thema „genius loci“ ein, mit dem Hermann Sörgel 1904 die Beseelung der Örtlichkeit aus dem Gesamtstimmungscharakter und dessen Beziehungen auf Architektur und zum menschlichen Leben benannte. Die Autoren, junge Namen zu dieser Zeit, Paul von Naredi-Rainer, Vittorio Magnago-Lampugnami, Bruno Reichlin und Fabio Reinhart antworteten darauf, während M. Mislin und Ernst Weber historischen wie gegenwärtigen Brückenbau aus den aktuellen Umweltbedingungen heraus entwickelten. Die nächsten Themen waren u. a. „Flexibilität und Variabilität“, “Energie: Architekturwende“ oder „Komplexität des Einfachen“, die zum Wesentlichen der Architektur vordrangen. Zum Redaktionsteam gehörten damals der Bauingenieur und Hochschullehrer Prof. Dipl.-Ing. Günter Ehrenberg, AIV Mainz, der Bauingenieur Dr.-Ing. Heinrich Wolf, Bundesverband Zement, AIV Köln und der Architekt Dipl.-Ing. Hans August Heymanns, AIV Frankfurt, der leider 1983 zu früh verstarb.
Parallel zur „Baukultur“ kreierte Ulrich Conrads 1981 im Verlag Bertelsmann Fachzeitschriften, Berlin die zweisprachige Zeitschrift „Daidalos“, die mit einer Schar illustrer Autoren und im Buchumfang von 130 Seiten viermal im Jahr erschien. Die Zielsetzung war identisch mit der „Baukultur“, nämlich dem viel beklagten Verlust von Qualität der Architektur entgegenzuwirken und neue Maßstäbe zu setzen.
1981 jährte sich der 200. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel, der an der Wiege der Architekten- und Ingenieur-Vereine stand. Ihm galten zwei große Ausstellungen in West- und Ostberlin. Damit öffneten sich das Alte Museum und die Wege nach Potsdam zum Charlottenhof und den Römischen Bädern; ebenso Schloss Glienicke, Ort romantischer Verzauberung und der Ausbau des Schlösschens Tegel mit Park, in dem das Denken eines Wilhelm von Humboldt bauliche Gestalt annimmt. Die „Baukultur“ ließ breiten Raum für Dr. Werner Gabler, Berlin, der über Schinkels Visionen, Schinkels Sendungsbewusstsein und dessen Lehrgebäude berichtete. Dr. Helmut Börsch-Supan fragte: „Können wir noch mit gutem Gewissen Schinkel feiern?“. Die Antworten darauf boten in jeder Ausgabe die Dokumentation von Bauten der Gegenwart und deren Hintergründe.
Wettbewerbe und erste Bauten zur Internationalen Bauausstellung in Berlin bestimmten Themen und Berichterstattung der „Baukultur“ und folgten dem aktuellen Architekturtrend der Postmoderne, die von der Architektur Vieldeutigkeit, Widersprüchlichkeit und Erinnerungsfähigkeit verlangte. Dr. Heinrich Klotz gab diesem Impuls mit der ersten Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt „Revision der Moderne – Postmoderne Architektur“ Nachdruck. Die „Baukultur“ war dabei und folgte damit den eigenen gesetzten Zielen.
Der redaktionelle Anspruch an die „Baukultur“ war hoch, die Finanzdecke des DAI zu schwach. Der Verlag hatte Mühe, die einzelnen Ausgaben über Anzeigen zu finanzieren. Die Redaktionsarbeit geschah ehrenamtlich, lediglich Barauslagen für Büromittel, Schreibarbeiten und Reisekosten konnten erstattet werden, Autorenhonorare fielen, wenn überhaupt nur beschämend niedrig aus. Die AIVe sahen sich nicht genügend repräsentiert. Trotzdem erschienen auch weiterhin wichtige Ausgaben mit Themen wie „Bauen aus Notwendigkeit“, „Die unsichtbare Stadt“ oder „Vom Bauen in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas“.
Diesen Schwierigkeiten versuchte die Redaktion mit zusätzlichen Leistungen
zu begegnen. Es konnten nicht nur spezielle und besonders honorierte Ausgaben für Messen wie DEUBAU in Essen und Constructa in Hannover entstehen, sondern auch Städteausgaben“, die von AIVen betreut wurden und sich auf das Baugeschehen einzelner Städte konzentrierten, brachten wirtschaftlich Erleichterungen für Redaktion und Verlag. Eine hoch qualifizierte Themenbeilage zur „Baukultur“ mit dem Titel „(UMRISSE)“ bot Anreiz zur Erhöhung der Auflagen und Fremdfinanzierungen. „Goepfert – Hölzinger . Baustrukturen für eine gegenwartsbezogene Umweltgestaltung“; „Rudolf Schwarz – Emil Steffann. Über die Rückführung der Architektur auf die Philosophie“, „Paul Schmitthenner“ – Sein Lebenswerk, zu seinem 100 Geburtstag“ oder ein Essay von Martin Sperlich, Berlin „Farbe am Bau bei Schinkel“ erfüllten aufs Neue den an „Baukultur“ gestellten Anspruch.
1987 ging der Architekten- und Ingenieur-Verlag aus Niedernhausen/Ts. über an den Philippka Verlag von Konrad Honig aus Münster. Mit Erreichen der Altergrenze 1989 übergab Paulgerd Jesberg die Chefredaktion an Dr. Phil. Gerd de Bruyn, heute Professor für Architekturtheorie und Direktor des Instituts für Grundlagen der Architektur an der Universität Stuttgart, der Ausgaben von hohem Anspruch herausgab. Doch der Verleger befand, dass dieses Niveau nicht absatzfähig sei und gab 1992 die „Baukultur“ an den Verlag Wiederpahn, Wiesbaden weiter. 1994 übernahm Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn die Redaktion bis zum Übergang an das „Das Bauzentrum“ im Jahre 2000. Er selbst ließ und lässt unter dem Titel (UMRISSE) im Verlag Wiederspahn weiter die Reihe der Städteausgaben erscheinen.
Der Begriff „Baukultur“ blieb neben dem Bauzentrum zuerst nur als Erinnerung erhalten bis der Titel mit Ausgabe 1/2005 als offizielles Organ des DAI im neuen Layout erschien. Der „Treffpunkt Baukultur“ bietet dem DAI und den AIVen ein breites Forum der Selbstdarstellung.