Dagmar Schierholz
(in: BAUKULTUR 6_2017, S. 3)
Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,
Veränderungen stehen in Deutschland an – bedingt durch Demographie, Migration, Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung und dem allgemeinen technischen Fortschritt stehen wir vor großen Herausforderungen. Umbau steht für Veränderungen. Ein Bestandsgebäude in seiner Ursprünglichkeit und Geschichte zu erfassen und durch die Möglichkeit neuer Nutzungsüberlegungen weiter zu beplanen und umzubauen, heißt, sie für die Zukunft sinnhaft zu erhalten.
Die gebaute Umwelt entscheidet darüber, ob Menschen sich in ihrem Ort, ihrem Quartier, in ihrer Stadt wohlfühlen oder nicht. Menschen müssen sich mit ihrer bebauten Umgebung identifizieren. Hier müssen die planenden Berufe ihr Können zur Gestaltung und dem Erhalt unserer gebauten Umwelt einbringen.
Es ist Tatsache, dass Baugrundstücke in den Städten immer knapper werden. Bei dieser Situation ist es auch Tatsache, dass im Bereich Neubau der kostengünstige Wohnraum kaum noch zu realisieren ist. Die Mieten steigen kontinuierlich für Neubauwohnungen. Hier kann das Weiterbauen im Bestand eine Möglichkeit sein. Das Nachverdichten in bestehenden Quartieren heißt, die Grundstücksproblematik zu umschiffen. Der gleiche Ansatz kann auch realisiert werden, wenn Reserven in der Geschossigkeit von Gebäuden weiter gedacht werden. Hier gilt es, den Integrationsaspekt von Anfang an mitzudenken. Dies setzt beim Planen und Bauen grundsätzliches Umdenken und klare Prioritätensetzungen voraus: Bestandsbauten unterschiedlichster Art nutzen und aufwerten, innerstädtisch angemessen verdichten, Aufstockungsmöglichkeiten mit innovativen Leichtbauweisen.
Das Aufstocken von Gebäuden und der Ausbau von Dachlandschaften können eine herausfordernde Art der Nachverdichtung sein und einen Spannungsbogen von vorhandener Bausubstanz und neuen Architekturen entstehen lassen. Der Umbau gilt also nicht nur dem Bad, Wohnzimmer oder auch dem Dach, er gilt Häusern, Quartieren, Gemeinden und Städten – im ganzen Land.
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten intensive Diskussionen im DAI geführt: Mit den Kammern und befreundeten Verbänden, mit der Politik und mit Bauschaffenden aus vielen Bereichen. Alle sind sich einig: Wir brauchen keine Notlösungen und Provisorien, sondern nachhaltigen Wohnraum für eine große Zahl von Menschen – und zwar schnell. Aktuell haben wir nicht nur die große Chance, sondern auch die Pflicht, die hochwertige Bau- und Planungskultur in Deutschland in die Tat umzusetzen. Handeln statt Zögern ist das Motto der Stunde und wird mit Sicherheit noch für Jahre das Motto bleiben. Den Planern und allen Bauschaffenden kommt eine gesellschaftspolitische Schlüsselrolle zu.
Während des diesjährigen DAI Tages Ende September in Münster haben wir im Verbandsrat wie auch in der Mitgliederversammlung diskutiert, wie der DAI zu diesen wichtigen Fragen unserer Zeit Stellung beziehen kann. Die Formulierungen mündeten in der „Münsteraner Erklärung“, die Sie auf Seite 11 der vorliegenden BAUKULTUR nachlesen können. Unser Beitrag ist, uns einzusetzen für ein maßvolles Planen und Bauen.
Ressourcen schonend einzusetzen und trotzdem das Bewusstsein für eine anspruchsvolle Planungs- und Baukultur im Auge zu behalten, ist ein hoher Anspruch. Architekten und Ingenieure tragen hierbei eine große Verantwortung, zu der sich auch und gerade die Mitglieder des DAI bekennen.
Herzlichst Ihre
Dagmar Schierholz
Vorsitzende des AIV Hildesheim
Mitglied des DAI Präsidiums