Erinnerung an frühere Zeiten

Sanierung eines ehemaligen Fabrikgebäudes in Berlin
(in: BAUKULTUR 6_2019, S. 22-23)

Auf der Halbinsel Stralau war mehr als 100 Jahre lang Glas hergestellt und verarbeitet worden. Mitte der 1990er Jahre wurde die Produktion eingestellt. Seit 2010 gab es zahlreiche Interessenten für die Grundstücke des ehemaligen Glaswerks, nicht jedoch für die denkmalgeschützten Industriegebäude. Die sich 2012 formierende Baugruppe „Glashütte Alt-Stralau“ erhielt den Zuschlag für den Kauf des landeseigenen Berliner Grundstücks, weil sie als einziger Interessent den Altbau erhalten und umnutzen wollte, nach Plänen von Eyrich-Hertweck Architekten.

Eyrich 1

Äußere Gestalt
Die Umnutzung hat aus der ehemaligen Werkstatt ein 4-geschossiges Wohngebäude mit 25 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit gemacht. Der denkmalgeschützte Bestand wurde behutsam saniert und wieder seiner ursprünglichen Gestalt angenähert. Dunkle Zinkfassaden mit großen Fenstern umschließen das einst offene Erdgeschoss und – als Reminiszenz an das frühere Bitumendach – auch das neue aufgestockte Dachgeschoss. Aktuelle Ergänzungen, darunter neue Balkone, sind im Kontrast dazu mit wetterfestem Baustahl verkleidet. Dieser Spe-zialstahl nimmt eine „rostige“ Oberfläche an, ohne zu korrodieren.

Eyrich 2

Innere Struktur
Durch direkte Zugänge zu einzelnen Wohnungen von außen und einem inneren Laubengang mit Maisonetten konnte darauf verzichtet werden, ein weiteres Treppenhaus in die alte Bausubstanz einzuschneiden. Die bestehenden Treppenhäuser wurden zur Erschließung des Dachgeschosses erweitert und um einen Aufzug ergänzt. Die charakteristische Stahlskelettstruktur des Bauwerks bleibt auch in den Innenräumen sichtbar. In die hohen, lichtdurchfluteten Etagen wurden niedrige Sanitär- und Serviceboxen eingestellt, die begehbar sind und somit zusätzliche Staufläche bieten. Es entstanden fließende Räume und Blickachsen quer durch das Gebäude, die in den Wohnungen den Loft-Charakter erhalten.

Eyrich 3

Energietechnik
Energietechnisch gesehen ist das Gebäude eine Herausforderung. Die bestehende Stahlkonstruktion, deren Skelett sich von der Fassade in das Innere des Gebäudes zieht, ist sozusagen eine einzige Wärmebrücke. Eine Außendämmung war für die denkmalgeschützte Glashütte natürlich nicht möglich. In weiten Teilen der historischen Längsfassaden lösen eine zweischalige, hinterlüftete Fassade im Brüstungsbereich und Kastenfenster das Problem: Hinter die dünne, historische Mauerwerksausfachung des Stahlskeletts wurde von innen eine neue, gedämmte Brüstung eingestellt. Auf dieser sitzt der innere, wärmedämmende Teil des Kastenfensters, der den Erhalt bzw. die Rekonstruktion der alten, einfach verglasten Industriefenster möglich macht. Zwischen den äußeren und inneren Flügeln der Kastenfenster ist der Sonnenschutz integriert. An den Stirnseiten des Gebäudes dämmen Calciumsilikatplatten das bestehende Mauerwerk von innen. Die Lüftung ist durch eine Abluftanlage in Kombination mit Fensterfalzlüftern sichergestellt. Der sehr gute Luft- und Trittschallschutz konnte durch die Wohnungstrennwände aus Mauerwerk und eine Gewichtserhöhung der Bestandsbetondecken erreicht werden.

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