BAUKULTUR 6_2021: Editorial

(in: BAUKULTUR 6_2021, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,

die Wahl zu einem neuen Bundestag hat in diesem Jahr in besonderer Weise die Kammern und Verbände mobilisiert, um eine Wende in der Klimapolitik, ein nachhaltigeres Wirtschaften und eine soziale und gesunde Gesellschaftspolitik zu fordern. Die Parteien wurden anhand von Wahlprüfsteinen zu ihren Konzepten befragt und haben in ihren Antworten in bemerkenswerter Einmütigkeit die Notwendigkeit des Umsteuerns in der Klimapolitik betont. Das Bündnis Bodenwende, in dem der DAI aktiv mitwirkt, fordert eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik als Grundlage für eine sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land.

Forderung nach einem eigenständigen Bauministerium
Der Bausektor mit einem Anteil von etwa 40 % aller Treibhausgasemissionen muss hier Verantwortung übernehmen beim Neubau, Erhalt und bei der Entwicklung des Bestandes sowie durch einen gedrosselten Flächenverbrauch. Der DAI hat in seiner „Aschaffenburger Erklärung“ (vgl. S. 11) anlässlich des DAI Tages 2021 die zukünftige Bundesregierung zu konkreten Handlungen aufgefordert, die wegen der herausragenden Bedeutung und der übergreifenden Aufgabenstellungen in einem eigenständigen Bauministerium koordiniert werden müssen. Im 20. Jahrhundert wurden die Sanierung und der Umbau über lange Zeit immer als zweitbeste Lösung angesehen. Abriss und Neubau wurden in der Regel bevorzugt. Hier hat nun erfreulicherweise ein Kulturwandel stattgefunden, für den es viele gute Gründe gibt:

Innenentwicklung vor Außenentwicklung
Für eine verantwortliche Bodenpolitik beabsichtigen die Bundesregierung und die Europäischen Union, bis 2050 eine Flächenkreislaufwirtschaft zu etablieren. Dies bedeutet, dass keine Ausdehnung von Siedlungsräumen mehr ohne gleichzeitige Entsiegelung von bebauten Flächen möglich sein soll. Die Entwicklung der Städte orientiert sich nach innen. Die Konzentration auf den baulichen und infrastrukturellen Bestand ist dabei ein wichtiger Schritt hin zu neuen Mobilitätsformen und einem nachhaltigen, sozialen und ökologischen Lebensraum.
Eine neue Qualität entsteht aus der Konzentration auf die Mitten. Leerstehende Ortskerne und Innenstädte können durch Verdichtung und Nutzungsmischungen in neuen Nachbarschaften wiederbelebt werden. Die Identität des Ortes, die nicht zuletzt auch Heimat bedeutet, kann so erhalten werden oder wieder entstehen. Die Gebäude und Quartiere gestalten den Ort unverwechselbar und tragen das kulturelle und materielle Erbe. Die kulturelle Kraft der Erinnerung, die den ortstypischen Bauten innewohnt, wird heute als „Goldene Energie“ bezeichnet und steht dabei im Kontext der „Grauen Energie“, die den materiellen Wert der Gebäude ausrechenbar macht. Das Bauen in der Mitte lässt Umbau und Neubau in Konkurrenz treten. Dabei ist der Wert der vorhandenen Bauten und Infrastruktur anhand seiner Bedeutung für den Ort zu bemessen. Zusätzlich wird die Qualität der vorhandenen Materialien und Struktur bewertet. Eine nachhaltige Betrachtung ermittelt so die wahren Kosten einer ersatzweisen Neuerstellung anhand der Material- und Umweltkosten. Vor diesem Hintergrund sind das Umbauen und das Weiterbauen im Bestand heute von größter Bedeutung.

Lust am Umbau
Der äußere Anlass für einen Umbau ist häufig eine notwendige energetische Sanierung. Die Gebäudehülle muss aufgewertet und die technische Gebäudeausstattung meist vollständig erneuert werden. Die Auflagen zur Energieeinsparung werden zunächst als Belastung und Einschränkung wahrgenommen, sie können aber auch den Blick öffnen für eine viel weitgehendere Aneignung eines Gebäudes durch seine Nutzer. Insbesondere bei einem Wechsel der Nutzungsart entstehen aus den notwendigen Veränderungen besondere Gebäude, die zum Teil ganze Quartiere aufwerten. Scheunen, Fabriklofts, Wassertürme, Bahnhöfe, Kasernen und ganze Industrieareale haben neues Leben eingehaucht bekommen und stehen heute als vielbeachtete Architekturikonen selbstbewusst neben den hinzugefügten Neubauten. Für die Planung und zur nachhaltigen Freude am Umbau empfiehlt es sich, erfahrene Architekten hinzuzuziehen. Diese planen und beraten bei den gerade im Umbau besonders vielfältigen Aufgaben und können auch denjenigen zur Seite stehen, die bei der Verwandlung ihres Heims auch mit Eigenleistung ihre Ziele verwirklichen wollen.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der vorliegenden umBAUKULTUR Vergnügen und Anregungen.

Herzlichst Ihr
Arnold Ernst
DAI Präsident

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