Geschwungenes Glas

Erweiterungsbau des Fraunhofer-Instituts ISC in Würzburg
(in: BAUKULTUR 4_2013, S. 20-21)

Für das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg ist Anfang Mai 2013 nach knapp drei Jahren Bauzeit ein neues Labor- und Technikumsgebäude eröffnet worden. Der Entwurf für das so genannte Technikum III stammt vom Londoner Architekturbüro Zaha Hadid LTD. Finanziert wurde der Bau vom Bund und dem Land Bayern sowie aus dem EFRE-Fonds der EU.

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Das Technikum III des Fraunhofer-Instituts ISC in Würzburg wurde Anfang Mai 2013 eröffnet (Foto: © K. Heyer für Fraunhofer ISC)

Modernste Technik
Die komplexe Architektur umfasst eine ungewöhnliche Fassade aus geschwungenem Glas. In einigen der Glaselemente wurde eine neuartige Glasbruchsensorik integriert – eine Eigenentwicklung des Fraunhofer ISC, die so in Langzeittests überführt wird. Ziel ist, ein Frühwarnsystem für moderne Glasfassaden umzusetzen, das auch Risse an optisch schwer zugänglichen Stellen frühzeitig erkennt.

Glasfassade
Die Fassade besteht aus 800 m² weißopaken, zylindrisch und asphärisch gebogenen Gläsern sowie aus 2.600 m² planen Gläsern. Die asphärischen Formen mit Biegeradien von teils < 250 mm wurden prinzipiell mit Floatglas realisiert. Für die plane Verglasung hingegen kam im Überkopfbereich und im betretbaren Bereich ein Verbundsicherheitsglas (VSG) aus teilvorgespanntem Glas (TVG) zum Einsatz. Für die Vertikalverglasung wurde ein monolithisches Einscheibensicherheitsglas (ESG) gewählt. Die Glasabmessungen betragen im gebogenen bzw. horizontalen Bereich bis zu 1,5 m x 2,6 m und im vertikalen Bereich bis zu 1,5 m x 3,7 m.

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Die Fassade besteht aus 800 m² weißopaken, zylindrisch und asphärisch gebogenen Gläsern sowie aus 2.600 m² planen Gläsern (Foto: © K. Heyer für Fraunhofer ISC)

Glasbeschichtung
Die unterschiedlichen Scheibenaufbauten bedingten verschiedene Beschichtungsverfahren, die in ihrem optischen Erscheinungsbild aufeinander abgestimmt wurden. Die planen teilvorgespannten Gläser und die Einscheibensicherheitsgläser wurden klassisch im keramischen Siebdruckverfahren beschichtet. Die asphärisch gebogenen Floatgläser sind mit einer opaken Folie laminiert. Um hier einen gleichmäßigen Farbeindruck zu erreichen, beträgt die Glasstärke vor der farbgebenden Schicht gleichmäßige 10 mm. Da bei den gebogenen Einfachgläsern weder ein keramischer Siebdruck noch eine Folie verwendet werden konnte, bestand hier die Lösung in einer Flüssigkunststoffbeschichtung auf Polyurethanharzbasis. Voraussetzung dafür waren sehr gute Haftungseigenschaften, opake Farbeigenschaften, Verträglichkeit zu den mit der Beschichtung in Kontakt kommenden unterschiedlichen Materialien und das Splitterschutzverhalten bei Bruch der Verglasung.

Glasbefestigung
Die Gläser sind mittels rückseitig tragend aufgeklebter Adapterrahmen an der zum Teil gebogenen Unterkonstruktion angeschlossen und mit dem Rohbau verbunden. Die Glas-oberfläche ist dabei als wasserführende Schicht konzipiert und somit komplett flächenbündig und ohne sichtbare äußere Befestigung am gesamten Gebäude ausgeführt. Die Nachweise für die nicht geregelten Glasprodukte und deren tragende Verklebungen wurden im Rahmen einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erbracht.
Die Dimensionierung der Glasdicken, der Klebstofftiefen und -breiten sowie der Unterkonstruktion wurde über die Finite-Elemente-Methode ermittelt. Die Verklebungsfugen und die Befestigungsschienen konnten individuell an die statischen Erfordernisse angepasst und optimiert werden. Konstruktiv sind die Glasscheiben linienförmig mit Aluminium-Profilen an der Unterkonstruktion befestigt. Die Verbindung zwischen den Aluminium-Profilen und den Verglasungseinheiten erfolgte über tragende Silikonverklebungen. Dabei wurden die Scheiben in jeder Einbausituation oberhalb 8 m Einbauhöhe durch mindestens zwei unabhängige Klebefugen in zwei Ebenen befestigt.
Insgesamt enthält die Fassade rund 700 gebogene Gläser, von denen 500 unterschiedliche Formen aufweisen. Durch die verhältnismäßig geringe Anzahl von Glasfugen und durch die hohe Passgenauigkeit der Gläser konnte eine insgesamt klare homogene Fassadenoptik geschaffen werden.

PROJEKTDATEN
Bauherr: Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung, München
Planung: Zaha Hadid Architects, London
Fassadenplanung: Werner Sobek Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart
Opake Verglasung: Roschmann Konstruktionen aus Stahl und Glas GmbH, Gersthofen

Genderhinweis
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