Modern und zukunftsfähig

Das „neue“ Museum Folkwang in Essen
in: BAUKULTUR 5_2010 (S. 32-33)

Die feierliche Eröffnung des neuen Museums Folkwang am 28.1.2010 rief ein beachtliches internationales Echo hervor, sowohl in der medialen Berichterstattung als auch bei den Kunstinteressierten, die seither zu diesem neuen Anziehungspunkt nach Essen strömen. Vorausgegangen war eine einzigartige finanzielle Zuwendung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Der entstandene Neubau aus der Feder von David Chipperfield ergänzt den denkmalgeschützten Altbau, dessen Sanierung seit Mai 2010 abgeschlossen ist. Insgesamt stehen damit annähernd 7.000 m² reine Ausstellungsflächen zur Verfügung.

Raskob_2Neubau des Museums Folkwang in Essen, 2010 (Stadtbildstelle Essen)

Vorgeschichte
Die „Geschichte“ des Museumsneubaus begann im Jahre 2006. Neben dem denkmalgeschützten sog. Bauteil „A“ aus dem Jahre 1960 teilte sich das Museum Folkwang den sog. Bauteil „B“ mit dem Ruhrlandmuseum. Dessen absehbare Verlagerung und Neuorientierung zum „Ruhr Museum“ auf dem Gelände der Zeche Zollverein führten zu Überlegungen zur weiteren Nutzung des Bauteils „B“. Gleichzeitig wurden technische und funktionale Unzulänglichkeiten sichtbar. Die Stadt gab eine Machbarkeitsstudie mit Szenarien von Sanierung bis Neubau in Auftrag. Die finanziellen Dimensionen dieser 4 Varianten ließen darüber eine politische Diskussion in der Stadt beginnen, deren finanzielle Gesamtsituation sich zunehmend verschlechterte.
Der 24.8.2006 ging in die Stadtgeschichte ein. Prof. Berthold Beitz verkündete als Kuratoriumsvorsitzender der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, dass die Stiftung auf seine Initiative hin die Kosten für einen Neubau des Museums Folkwang übernimmt. Die Stiftung stellte dazu als alleiniger Förderer 55 Mio. Euro bereit. Für die Stadt war damit die Verpflichtung verbunden, den langfristigen Erhalt des Gebäudes zu sichern.

Wettbewerb
Die Stadt Essen reagierte umgehend. Bereits am 27.9.2006 befasste sich der Rat der Stadt mit den ersten Überlegungen der Verwaltung zur Realisierung des Neubaus. Wesentlicher Bestandteil war die Auslobung eines internationalen Architekturwettbewerbs vom 19.9.2006, aus dem David Chipperfield Architects im März 2007 als erster Preisträger hervorging.
Besonders gewürdigt wurden „die Einfügung des Neubaus in den bestehenden Kontext, (…) die Lage und Gestaltung des prägnanten Eingangs, der nach dem Eintreten spannende Blickbeziehungen auf den Altbau und in den westlichen Park ermöglicht (…) sowie die Vielfalt im Raumangebot, die ein Wechselspiel von ausformulierten Höfen bzw. Gärten und Ausstellungsflächen mit einer fließenden Raumfolge schafft.“

Realisierung
Mit der Realisierung des Projekts betraute die Stiftung die Neubau Museum Folkwang GmbH (NMFE) als eine eigens gegründete Gesellschaft, die als Bauherrin agierte und sich verpflichtete, das Gebäude bis Oktober 2009 fertig zu stellen. Die Beziehungen zur Stadt als Grundstückseigentümerin wurden vertraglich geregelt und operativ in einer wöchentlichen Lenkungsgruppe ausgeformt.
Nach dem Baubeginn im Herbst 2007 wurde der Neubau, der nun auch das Deutsche Plakat Museum aufnimmt, fristgerecht durch die NMFE im Oktober 2009 fertiggestellt. Im November 2008 entschied der Rat der Stadt Essen, auch den sog. Altbau an die klimatischen und sicherheitstechnischen Anforderungen des Neubauniveaus anzugleichen.
Gut 10 Mio. Euro - finanziert von der Stadt Essen, vom Museumsverein und weiteren privaten Sponsoren, u.a. auch von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung - ermöglichten auch die Fertigstellung des Altbaus bis Mai 2010.

Architektonisches Konzept
Der Neubau ergänzt den denkmalgeschützten Altbau des Museums Folkwang, bewahrt dessen Autonomie und setzt sein architektonisches Prinzip mit einem Ensemble von 6 Baukörpern und 4 Innenhöfen, Gärten und Wandelhallen fort. Die öffentlich zugänglichen  Bereiche schließen sich auf einer Ebene ohne Niveauunterschiede den bestehenden Ausstellungsräumen an. Eine großzügige Freitreppe führt von der Bismarckstraße in den neuen Eingangsbereich, der als offener Innenhof mit Café und Restaurant sowie einer Museumsbuchhandlung konzipiert ist und durch eine Glasfassade zur Straße hin geschützt ist. Das neue Museum Folkwang bietet eine abwechslungsreiche Raumfolge mit viel natürlichem Licht für die Ausstellungsbereiche sowie Bibliothek und Lesesaal, Multifunktionssaal für Vorträge und Veranstaltungen, Depots und Restaurierungswerkstätten.

Raskob_1Innenhöfe im Folkwang Museum Essen, 2010 (Foto: W. Haug, Museum Folkwang, NMFE)

Der Neubau orientiert sich zur Essener Innenstadt und bildet im Zusammenspiel mit dem benachbarten Kulturwissenschaftlichen Institut einen neuen städtebaulichen Akzent.
Die transluzente, alabasterartige Fassade besteht aus rechteckigen Glasrecylingplatten. Je nach Lichtsituation ändert sich die Farbigkeit der Bekleidung. Die integrierten Fensteröffnungen schließen bündig mit der Fassade ab. Für den Boden wurde ein geschliffener Estrich gewählt, der in seiner Farbe und Textur dem Betonwerkstein des Sockels ähnelt.

Lichtführung
Bei der Planung und Umsetzung des Entwurfes kam neben der architektonischen und baulichen Qualität dem natürlichen Licht in den Ausstellungsräumen eine zentrale Bedeutung zu. Das Gebäude wurde so entworfen, dass sich Änderungen des Tageslichts wahrnehmen lassen. Konstruktive lichtlenkende und lichterzeugende Bauteile im Deckenzwischenraum über den Tageslichträumen sind in ihren Konturen sichtbar, und der Besucher kann nachvollziehen, woher das Licht kommt. Die Sammlung des Museums umfasst Exponate, die weniger empfindlich gegen Licht sind, und solche, die empfindlich auf Licht reagieren. So werden die Dauerausstellung und die Wechselausstellung hauptsächlich durch Tageslicht beleuchtet, die Ausstellungsräume für das Deutsche Plakat Museum, die Sammlung Fotografie und die Sammlung Grafik entsprechend mit Kunstlicht versorgt.

Klimakonzept
Für die technische Gebäudeausrüstung wurde ein ganzheitliches, wirtschaftliches Energie- und Klimakonzept erarbeitet, das neben den Anforderungen an das Raumklima die hohen raumlufttechnischen Anforderungen für Kunst zu erfüllen hat. Schwerpunkte sind hierbei die gleichmäßigen Raumtemperaturen/ Temperaturverläufe und die konstante Luftfeuchte über die gesamte Wandfläche. Für die optimale Umsetzung wurden dynamische Gebäude- und Strömungssimulationen durchgeführt. Die Zuluft- und Abluftöffnungen sind durch ihre in die Konstruktion integrierte Bauweise dabei für den Besucher kaum wahrnehmbar.

Mit der Fertigstellung des neuen Museums Folkwang und der Sanierung des Altbaus erhalten die Bürger der Stadt Essen ein modernes zukunftsfähiges Museum, das dem Grundgedanken des Gründers der Sammlung Folkwang, Karl-Heinz Osthaus, in jeder Hinsicht gerecht wird.

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