Studentenwohnungen im Olympischen Dorf München
in: BAUKULTUR 3_2009 (S.22-23)
Nach der Schließung seines über 50 Jahre bestehenden Büros suchte der mittlerweile 90 Jahre alte Architekt der 1972 fertiggestellten Bungalows im Olympischen Dorf München, Werner Wirsing, für die urheberrechtlich geschützte Totalsanierung der Anlage ein Partnerbüro. Das Studentenwerk schlug daraufhin bogevischs buero als kompetente Unterstützung vor, nachdem die Architekten kurz zuvor die Studentenwohnanlage am Felsennelkenanger (Deutscher Bauherrenpreis BDA 2006) fertiggestellt hatte. Aus der arrangierten Hochzeit entstand eine in kurzen Abständen tagende Entwurfsgruppe, die nach wie vor mit Nachdruck und Elan gemeinsam das Projekt bis ins kleinste Detail entwickelt.
Denkmalpflegerisches Konzept
Ein Teil der im Rahmen der Olympischen Spiele 1972 in München erbauten Athletenbungalows wurde bereits seit dem Auszug der Sportler als studentische Wohnanlage genutzt. Die Sanierung der rund 800 unter Ensembleschutz stehenden Flachbau-Einheiten schien jedoch - unter Wahrung ihrer architektonischen Qualität - nicht wirtschaftlich machbar.
Daher erneuert das Studentenwerk nun die Gebäude im Sinne einer kritischen Denkmalpflege. Dabei werden die Bestandswohnungen komplett rückgebaut und auf demselben Flächenareal innerhalb einer annähernd identischen Kubatur neu errichtet. Aus Denkmalschutzgründen ausgenommen sind hiervon lediglich 12 zu erhaltende Beispieldenkmäler. Um zudem den vorhandenen studentischen Wohnraum zu erweitern und um Förderungsmöglichkeiten auszuschöpfen, wird es im Zuge der Sanierung zu einer Nachverdichtung kommen. Insgesamt sollen 1052 Einheiten in zwei verschiedenen Grundtypen realisiert werden.
Neubauplanung
Die Minihäuser sind als zweigeschossige Maisonettewohnungen konzipiert und werden in Sichtbetonbauweise realisiert. Je Baufeld ist die Unterkellerung jeweils einer Gebäudezeile als Heizzentrale bzw. Übergabestation und Fahrradabstellraum geplant.
Der wesentliche Gesichtpunkt der Originalplanung, die auf dem Gedankengut der 1968er Studentenbewegung basiert, d.h. höchste Individualität bei geringstmöglicher gegenseitiger Störung, wird beibehalten: Jedem/Jeder Studierenden sein/ihr eigenes Haus - eigene Tür, eigenes Bad, eigener Briefkasten.
Die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die in der Praxis gezeigten Erfahrungen führten in Bereichen jedoch zu Umplanungen, die die Siedlung zwar ähnlich, jedoch nicht gleich werden lassen. So verringern sich die Achsbreiten entgegen der Bestandsplanung von 4,20 m auf 3,15 m, um die Förderhöchstgrenzen einzuhalten. Auch rücken die in Epoxidharz verkleideten Nasszellen - im Gegensatz zu den bestehenden Häusern - in den hinteren Teil des Wohnraumes, sodass das Erdgeschoss nun über die Gassenfassade belichtet werden kann.
Trotzdem bleibt das Minihaus flexibel: Die Grundausstattung von Bett, Schrank und Schreibtisch kann lageverändert werden. Aus dem Bett wird mit wenigen Handgriffen ein Sofa oder ein Doppelbett. Geschlafen und/oder studiert werden kann entweder unten oder oben.
Die wesentlichen Gesichtspunkte der Neuplanung greifen jedoch auf den Bestand zurück: Der Dorfcharakter bleibt erhalten. Die Gassen sind 2,30 m breit und bieten den informellen Kommunikationsraum, in dem jeder Bewohner sein eigenes Haus mit eigener Haustür findet. Jeder Bewohner hat auch in Zukunft wieder das Recht, seine Fassade selbst zu gestalten. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass das Gesamtkunstwerk erhalten bleibt.
Ein Musterappartement kann bis zur Fertigstellung des 1. Bauabschnittes vor Ort besichtigt werden.
PROJEKTDATEN
Entwurf, Planung und Ausführung: 2006-2010
Bauherr: Studentenwerk München
Entwurf: arge werner wirsing bogevischs buero, München, Prof. Werner Wirsing, Rainer Hofmann, Ritz Ritzer
Mitarbeiter: Sven Gosmann, Michael Drenhaus, Marc Sikeler, Kerstin Engelhardt, Victor Filimonov, Sebastian Helbig, Christina Patz
Landschaftsarchitekten: Keller & Damm Landschaftsarchitekten Partnerschaft, München