Wein aus dem Betonei

in: BAUKULTUR 1_2010 (S. 26)

Heutzutage lagert man Wein hauptsächlich in Edelstahltanks oder in Holzfässern. Die großen Weine der Welt reifen fast ausschließlich in kleinen Eichenholzfässern, den sog. Barriques oder Pieces. Neben diesen erprobten Werkstoffen zur Weinlagerung sind aber auch alte Methoden nie ganz von der oenologischen Bildfläche verschwunden. Während die einen dem Edelstahltank zu starke Reduktivität vorwerfen, beklagen die anderen beim Holzausbau die „Geschmacksbeeinflussung“ durch Tannine und Röstaromen.

betonei
Foto: Weingut am Stein, Würzburg

Ideale Form
Der Ausbau von Wein in einer Konstruktion von überdimensionalen Betoneiern ist eine Hommage an die „Ur-Önologen“ aus Georgien. Dort werden Weine auch heute noch in großen Amphoren, sog. Kvevris, die vollständig in Lehmboden eingegraben sind, ausgebaut. Die besonderen Gegebenheiten und die Vinifikationsmethode lassen die Weine dann sehr lange altern. Berücksichtigt man den Chemismus des Weines (pH-Wert, Säuren, Alkohol, Aromen) betreffend auf die Reaktion auf den Beton, verzichtet auf Stahlarmierungen und wählt einen geeigneten Beton, dann spricht nichts gegen eine Lagerung von Wein im Betonei. Während des gesamten Ausbaues – während der Gärphase und bei der Lagerung - kann der Wein sich in diesem Gefäß ohne Kanten und Ecken fließend bewegen.

Testphase
Experimentell werden seit 2008 folgende Ziele überprüft:
1. Den Sorten- und  Lagercharakteristiken des Weines kann mehr Spielraum eingeräumt werden.
2. Die Vorteile einer Holzfasslagerung (Mikrooxygenierung) können genutzt werden, ohne die Beeinflussung der Holzkomponenten zuzulassen.
3. Die Eiform des Goldenen Schnitts (nach Claudius Ptolemäus) bedingt keinen toten Winkel und soll so die Zirkulation der Weininhaltsstoffe begünstigen und die Aufnahme winziger Sauerstoffmoleküle positiv beeinflussen.
4. Durch die feinen Poren in der Betonwand dringt Sauerstoff im optimalen Verhältnis bis an den Wein. Ziel ist dabei ein besseres Wachstum der Hefen bei Gärbeginn und eine Polymerisierung und Stabilisierung des Weines bei der Reifung - damit verbunden ein längeres Weinleben.

Frage der chemischen Reaktion
Als größte Sorge stellte sich eine mögliche chemische Reaktion des Weines mit dem Beton dar. Vorsorglich wurden die rohen Betonwände mit Weinsäurepaste behandelt, um ein saures, weinverträgliches Milieu zu erhalten. Ende Oktober kam der Most nur leicht geklärt ins Ei, ist dort mit seinen natürlichen Hefen aus dem Weinberg vergoren worden. Ausgerichtet nach der Stellung des Mondes wurden die Weine dann von der Gärhefe gezogen. Im April wurden die Weine auf Flaschen gefüllt und sehen nun ihrer endgültigen Reife entgegen. Zur Absicherung wurde das Experiment durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit begleitet. Beeinflussungen konnten nicht nachgewiesen werden.

Sensorik
Das Weingut Ludwig Knoll in Würzburg und das Weingut Rainer Sauer in Escherndorf haben 2008 zwei ihrer Spitzensilvaner in eiförmigen Betonbehältern gären und reifen lassen. Nach 7-monatiger Lagerzeit konnten weder ein Betongeruch noch ein Betongeschmack festgestellt werden. Dazu wurden Vergleichsweine aus den gleichen Trauben einmal im Edelstahltank und einmal im Betonei vergoren und gelagert. Im direkten Vergleich gleicher Ausgangsmoste zeigte der Silvaner aus dem Betonei eine aufdringliche Aromatik, etwas würziger, eher eine kräuterige Richtung. Im Geschmack ist er aufbrausender, bestimmender und polarisiert. Er zeigt Ecken und Kanten und ist sehr provokant. Dennoch ist er als typischer Silvaner erkennbar.

Offen bleibt nun die Bestätigung seiner höheren Langlebigkeit.

Genderhinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Inhalten bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern überwiegend die männliche Form. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Informiert bleiben, Partner finden, Baukultur erleben!

Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. Mitgliederzeitschrift Mitglied werden