Transparenz und Massivität

Sanierung des Wilhelm-Busch-Gymnasiums in Stadthagen
in: BAUKULTUR 1-2009 (S. 33-35)

Der Anspruch nach Zeitlosigkeit von Räumen und Materialien stellt ein ökologisches und nachhaltiges Konzept dar, das bei einer reinen Betrachtung der Energiekennwerte wenig Berücksichtigung findet. Bei der Sanierung des Wilhelm-Busch-Gymnasiums in Stadthagen sollten kraftvolle natürliche Materialien verwendet werden, um Sinnlichkeit und zeitlose Schönheit zu vermitteln. Als Bezug zum Bestand wurde für die Neubauten das Material Beton aufgegriffen und in der Ausformung als Sichtbeton hergestellt. Die Innenräume sollten durch die Kombination mit natürlichen Holzflächen eine angenehme Aufenthaltsqualität erzeugen. Diese hochwertige Materialauswahl ließ sich mit dem Landkreis Schaumburg als qualitätsbewusstem Auftraggeber eindrucksvoll verwirklichen.

Bestandssituation
Das Wilhelm-Busch-Gymnasium in Stadthagen ist ein klassisches Schulgebäude aus den 1970er Jahren. Die Hauptkonstruktion bildet ein Stahlbetonskelett mit vorgehängten Waschbetonfassadenplatten. Horizontale Fensterbänder gliedern über die gesamten Raumbreiten die Fassaden, wodurch die . Klassenräume sehr gut belichtet werden. Nachteile ergeben sich lediglich in den inneren Erschließungsbereichen, sofern diese keine Querverbindungen zur Fassade besitzen.

Aus den steigenden Schüler- und Lehrerzahlen der vergangenen Jahre resultierte ein dringender Raumbedarf, der nur durch einen Um- und Neubau gedeckt werden konnte. Die Verwaltung musste auf die erweiterte Lehrerschaft abgestimmt und auf einen zeitgemäßen technischen Standard gebracht werden. Für die ebenfalls technisch überholte Cafeteria und auch für den Freizeitbereich im Kellergeschoss bestand der Wunsch, diese für die Schüler wichtigen Kommunikationsorte zentral im Erdgeschoss unterzubringen. Da die bestehende Pausenhalle zu klein war und eine Aula für Aufführungen und Veranstaltungen fehlte, sollte hierfür ein Neubau errichtet werden.

Umbau der Verwaltung
Im ersten Bauabschnitt wurde die Verwaltung bis in den Rohbau zurück gebaut. Nur die vollständige Entkernung konnte den Ansatz nach lichtdurchfluteten Räumen mit neuen Atmosphären verwirklichen. Für die hier stattfindenden Elterngespräche sollten die Räumlichkeiten eine gewisse Heiterkeit ausstrahlen. Um die Eltern entsprechend zu empfangen, wurde ein zentrales Foyer geschaffen. Die Belichtung er Büroräume und der innen liegenden Gänge erfolgt über satinierte Ganzglaswände, die das einfallende Licht samtig filtern.
Der gesamte Lehrerarbeitsbereich wurde in einen Erweiterungsbau verlagert, der ebenso wie der Neubau der Pausenhalle als Sichtbetonbau konzipiert ist.

Cafeteria und Freizeitbereich
Die neue Cafeteria befindet sich zentral in der bestehenden Pausenhalle und erhielt eine direkte Verbindung nach außen zum Atrium. Die Fassade wurde großflächig aufgebrochen und mit neuen Verglasungen und filigranen Schiebetüren versehen. Fußboden und Möbel sind aus Vollholz gefertigt und greifen mit ihrer Materialität alte klassische Schulmöbel auf. Die Wahl des massiven Holzes fiel, neben der gewünschten Ausstrahlung, auch auf Grund der Nachhaltigkeit. Das Atrium ist konsequent ebenfalls in Holz ausgeführt. Dazu wurde auf die bestehende Waschbetonfassade eine Verkleidung aus Lärchenholz aufgebracht. Ein Podest mit mehreren Ebenen bietet vielfältige Sitzgelegenheiten.

Der Gedanke für die Ausformung der Cafeteria leitet sich aus dem Anspruch nach Kommunikation ab. Der frei in den Raum gestellte Tresen lässt sich von allen Seiten begehen, sodass das Gefühl erzeugt wird, an einem gemeinsamen Tisch zu sitzen. Eigens entwickelte Barhocker lassen sich integrativ dazu stellen.
Der angegliederte Freizeitbereich ist schalltechnisch durch eine teilsatinierte Glaswand getrennt, die jedoch Sichtbeziehungen zur Cafeteria zulässt. Holzakustikverkleidungen an den Wänden verbessern die nicht vermeidbare Lärmentwicklung der hier aufgestellten Billardtische und Kicker.

Aula und Pausenhalle
Im Herbst 2007 wurde der letzte Bauabschnitt mit der Errichtung des Eingangsgebäudes abgeschlossen. Die unterschiedlichen Nutzungen mit Aula und Pausenhalle brachten Schwierigkeiten für die Ausformung des Gebäudes mit sich. Eine Empfangs- und Pausenhalle sollte lichtdurchflutet und offen gestaltet sein, während eine Aula bzw. ein Auditorium möglichst tageslicht- und blendfrei sein sollten. Da die Pausenhalle im Gegensatz zur Aula jedoch täglich benutzt wird, wurde die Priorität in der Entwicklung eines transparenten Raums gelegt, der durch die Kombination mit Sichtbeton gleichzeitig Massivität ausstrahlt. In der direkten Umgebung der dreigeschossigen Bestandsgebäude war eine kraftvolle Figur notwendig, die trotz ihres hohen Glasanteils als massives Element wirkt und als Haupteingang wahrgenommen wird. Diese wurde durch den Rhythmus der Stützenstellung, die formale Klarheit und die Materialität in Sichtbeton erreicht.

Deckenkonstruktion
Das Stützenraster der neuen Pausenhalle ist aus den Bestandsgebäuden entwickelt, jedoch deutlich verdichtet, wodurch der Wunsch nach mehr Massivität in Verbindung mit einer verbesserten Akustik verwirklicht werden konnte. Aus diesem Grund wurde die Decke als Sichtbetonrasterdecke entwickelt. Die Ausfachungen sind zusätzlich mit orangen Akustikpaneelen vom Typ BER Metall-V verkleidet. Die Tiefe der Ausfachungen dient als konstruktiver Sonnenschutz für das darüber liegende Glasdach. Das Deckenraster ist als Holzintarsie auf dem Fußboden abgebildet. Der äußere massive Dachbereich ist im Fußboden als Gangzone mit schwarzem Terrazzo kontrastierend abgesetzt. Im Fußboden eingelassene Glasvitrinen dienen als Ausstellungsfläche. Den Anschluss zu den Bestandsgebäuden bildet eine Glasfuge im Dach, die für die natürliche Belichtung der anschließenden Gebäudeteile sorgt.

Materialsichtigkeit
Der Sichtbeton wurde als selbstverdichtender Beton vor Ort ausgeführt. Die Farbgebung sollte sandsteinfarben sein, um in Kombination mit der Lichtführung eine angenehme Ausstrahlung zu erzeugen. Um diese Farbigkeit zu erreichen, wurde ein Sandsteinmuster im Farblabor auf seine Zusammensetzung analysiert und auf dieser Grundlage die Betonrezeptur erstellt. Sie besteht aus Weißzement, geringen Anteilen an Gelbpigmenten und einem beigen Sand. Als Kontrast zu den rauen Waschbetonplatten der Bestandsgebäude sollte eine glatte Schalung zur Ausführung kommen. Die genauen Schaltafelgrößen, die Anordnung der Ankerlöcher, das zu verwendende abtrocknende Schalöl und die Abdichtung der Fugen wurden durch den Architekten präzise vorgegeben.

Energiekonzept
Die Erwärmung und Kühlung der Pausenhalle erfolgen über eine Bauteilaktivierung. Der Boden ist mit einer Fußbodenheizung ausgerüstet. Durch die Ausbildung des Glasfassadenbereichs im Terrazzo wird die Wärmeleistung durch den günstigen Wärmeleitwert positiv beeinflusst. Im Winter erwärmt sich der schwarze Boden durch die passive Energienutzung der einfallenden Sonnenstrahlen. Die Betonrasterdecke ist ebenfalls vollständig mit einem Leitungssystem durchzogen und kann sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen verwendet werden. Durch die direkte Anordnung unter dem flach geneigtem Glasdach tritt kein Kondensat auf. Das Glasdach erhielt eine Sonnenschutzverglasung. Zusätzlich sind außen liegende Sunscreenstores angebracht. Diese dienen auch der Verdunkelung für die Nutzung als Aula.

Lichtkonzept
Das Lichtkonzept für die Halle sieht abwechslungsreiche Lichtsituationen vor. Je nach Sonnenstand ergibt sich ein vielschichtiges Schattenbild. Für die künstliche Beleuchtung in den offenen Deckenfeldern wurde eine spezielle Pendelleuchte entwickelt. Damit die Decke abends nicht als dunkles Element empfunden wird, werden die orangen Ausfachungen mit einem Rundumlicht an der Oberseite der Pendelleuchten beleuchtet. In dem Beleuchtungskörper sind verschiedene Leuchtmittel installiert, die sowohl eine Grundbeleuchtung als auch eine atmosphärische Beleuchtung für die Aulanutzung erzeugen können.

Projektdaten
Bauherr: Landkreis Schaumburg
Entwurf: Nieberg Architect, Axel Nieberg, Hannover
Statik, Bauphysik: IB Harmening, Bückeburg
Haustechnik: IB Gundermann, Minden
Elektroplanung: Schöler Ingenieure, Hameln
Lichtplanung: Nieberg Architects mit Lichtbreust GmbH, Hannover
Akustikverkleidung: BER Deckensysteme GmbH, Hövelhof
Einbau der Paneele: Niehof Trockenbau-Akustik GmbH, Obernkirchen-Krainhagen

Genderhinweis
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