Editorial Ausgabe 6-2012

Prof. Christian Baumgart, DAI Präsident
(in: BAUKULTUR 6_2012, S. 3)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Leser und Freunde der BAUKULTUR,

vor gut einem Monat fand unser diesjähriger Verbandstag, der DAI Tag in Stuttgart statt, traditionell ein Wochenende mit vielen und guten Gesprächen, Diskussionen, Exkursionen und einer Preisverleihung für Verdienste rund um die Baukultur – national wie international. Ergänzt wurde das reichhaltige Programm in diesem Jahr um die Feier zum 170-jährigen Bestehen des gastgebenden AIV Stuttgart. Einen schnellen ersten Eindruck vom DAI Tag finden Sie in dieser Ausgabe auf Seite 8, in der BAUKULTUR 1_2013 werden wir dann ausführlicher über den DAI Tag berichten. Jedoch auch an dieser Stelle bereits nochmals ein herzlicher Dank an den AIV Stuttgart und sein engagiertes Vorbereitungs- und Durchführungsteam, es war ein DAI Tag, der Maßstäbe gesetzt hat.

Vieles wurde thematisiert: Die aktuelle Lage unserer Berufsstände, Fragen rund um unsere Honorarordnung, die nahezu zeitgleich auf der Bauministerkonferenz in Saabrücken diskutiert wurde, und natürlich die grundsätzliche Diskussion darüber, wie wir als Dachverband und in unseren Mitgliedsvereinen noch mehr für eine umfassende baukulturelle Bewusstseinsbildung im Lande sorgen können. Einer der zentralen bei dieser Diskussion auftauchenden Punkte war die Planungskultur und ihre öffentliche Wahrnehmung, die sich seit geraumer Zeit drastisch zu Lasten der Ingenieure und Architekten verschlechtert hat. Musterbeispiel seit langem ist dafür natürlich das Projekt Stuttgart 21, auch diesmal wieder heftig diskutiert. Auf allgemeine Fragen der Planungskultur ist der DAI ja bereits in einer Presseerklärung im August diesen Jahres eingegangen („ohne Planungskultur keine Baukultur“). Natürlich ist dies allein nicht ausreichend und daher wurde folgerichtig das DAI Präsidium in Stuttgart erneut aus den Reihen der Mitgliederversammlung gebeten, sich im Rahmen eines weiteren Schwerpunktthemas im kommenden Jahr mit den grundsätzlichen Fragen der Planungskultur und des Erscheinungsbildes unserer Berufsstände, aber auch unserer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verstärkt auseinander zu setzen.

Ansporn dazu gaben uns nicht zuletzt der diesjährige Preisträger des Großen DAI Preises für Baukultur, Jörg Schlaich, sowie dessen Laudator, Volkwin Marg. Marg würdigte viele Facetten des Bauschaffens seines Kollegen und Freundes Schlaich und bezeichnete ihn als einen „Missionar der Baukunst“. Dort – so die einhellige Meinung im Auditorium – müssen wir unsere Berufsstände wieder hinführen: Zu einer Baukultur, die von den Könnern der Baukunst lebt, aber auch zu einer Planungskultur und öffentlichen Betrachtung, die diese Könner und ihre Fähigkeiten respektiert und anerkennt. Dies scheint, glaubt man den Schlagzeilen der vergangenen Monate und Jahre, vollständig verloren gegangen. Skandale allenthalben, neben dem bereits erwähnten Projekt Stuttgart 21 die Elbphilharmonie in Hamburg, der Flughafen in Berlin, der Landtag in Potsdam oder die Pinakothek in München, all überall ist von Bauskandalen, von „Pfusch am Bau“ und Schlimmerem die Rede, all überall tun „Wutbürger“ ihre Meinungen kund frei nach dem Motto: „Wer am lautesten schreit, hat Recht“. Gerhard Matzig hat mit Fug und Recht festgestellt: „Aus Chancen werden im wutbürgerlichen Reich immer Risiken, aus „dafür“ immer „dagegen“, aus einer Möglichkeit eine Bedrohung“. Und weiter stellt er in der Süddeutschen Zeitung die Frage, ob es wirklich nur noch Bauskandale und Pfusch gebe oder nicht vielmehr eine viel zu große Empörungsbereitschaft.

Dies ist einer der Punkte, wo Architekten- und Ingenieurvereinigungen und -verbände ansetzen können. Wir müssen für viel mehr und viel bessere und viel tiefer gehende Information der Öffentlichkeit sorgen, immer und immer wieder klar stellen, wo unsere Fähigkeiten, aber auch unsere Verantwortlichkeiten liegen. Planer verheddern sich allzu häufig in Verantwortungsdickicht, schwierigen Rechtskonstrukten und leider auch fachlich und quantitativ ausgebluteten bzw. „kaputt gesparten“ Baubehörden. Seit langem fordert der DAI und fordern seine Mitgliedsvereine eine nachhaltige Stärkung auch der öffentlichen Bauherrnseite durch qualitativ und quantitativ angemessen ausgestattete Bauverwaltungen.

Gerne wird der DAI mit einem Schwerpunktthema im kommenden Jahr dieses Problemfeld aufgreifen, in Fachkreisen wie auch in politischen Gesprächsrunden auf die Fragestellungen hinweisen und aktiv an einer Verbesserung der momentanen Rahmenbedingungen mitwirken. Naturgemäß können dies nicht Verbandsorgane oder ein Präsidium alleine tun, daher bitte ich Sie alle herzlich um Mitwirkung und Unterstützung.

Herzlichst Ihr
Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart
DAI Präsident

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