Editorial

von Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
in: BAUKULTUR 2_2010 (S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,

weder die oft großartigen Leistungen von Architekten und Planern noch ihr gelegentliches Scheitern dürfen uns dazu verleiten, Baukultur unter rein ästhetischen Kategorien und damit losgelöst von gesellschaftlicher Praxis zu betrachten und zu diskutieren. Baukultur ist immer auch konkrete Prägung, Ausformung und Gestaltung. Nur in einem Klima, in dem der Qualität der gebauten Umwelt sowie deren Herstellung, Umgestaltung und Nutzung hohe Aufmerksamkeit gewidmet wird, kann sie gedeihen.

Ein solches Verständnis von Baukultur weiß sich historisch verortet und verwurzelt im baukulturellen Erbe von Rang. Sie bezieht sich bewusst auf Architektur und Ingenieurbau, auf Stadt- und Regionalplanung, auf den Denkmalschutz und die Landschaft. Baukultur fordert dabei von Fachleuten, Politik und Verwaltung ein integriertes Verständnis und muss dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger an eine nachhaltig lebenswert gestaltete Umwelt gerecht werden. Dies gilt nach meiner festen Überzeugung umso mehr, als unsere Städte und ländlichen Räume vor großen und grundlegenden Herausforderungen stehen. Dazu gehören der demografische Wandel und die Erfordernisse des Klimaschutzes ebenso wie ein sich immer schneller veränderndes wirtschaftliches Umfeld und wachsende soziale Ungleichheiten.

Wir stehen in der Verantwortung und in der Pflicht, gemeinsam konstruktiv und kreativ nach Lösungen zu suchen. Baukultur entsteht aus einer Haltung und einem Anspruch an das konkrete Projekt sowie einer guten Qualifikation und einem verlässlichen Ordnungsrahmen. Das umschreibt den Horizont für einen sich dynamisch entwickelnden Modernisierungsprozess, für den wir in Deutschland die Voraussetzungen schaffen müssen. Das ist keine leichte Aufgabe, denn die Realität des Planens und Bauens ist komplex. Technische, künstlerische, ökonomische und soziale Anforderungen sind im Prozess zu berücksichtigen. Gefragt sind dabei Kommunikation zwischen den Beteiligten, integriertes Denken und die Fähigkeit, bei einzelnen Inhalten klare Schwerpunkte zu setzen.

Wir werden als zuständiges Bundesministerium dazu unseren Beitrag leisten. Unsere Politik für Baukultur in Deutschland ruht dabei auf zwei Säulen: Zum einen wollen wir helfen, im Rahmen eines permanenten Prozesses eine Verständigung über Qualitätsmaßstäbe des Bauens und Planens zu erzielen; zum anderen geht es uns um die Stärkung der wirtschaftlichen Basis und der Wettbewerbssituation der Branche.

Vor diesem Hintergrund wollen wir den mit der Initiative Architektur und Baukultur begonnenen Diskurs über Maßstäbe, Voraussetzungen und Qualitäten des Bauens und der Stadtentwicklung in Deutschland fortsetzen. Gemeinsam mit den Verbänden und Kammern, den Ländern und Kommunen wollen wir eine Baukulturpolitik formulieren, die unserem Leitbild einer nachhaltigen baukulturellen Entwicklung entspricht und die zugleich die planenden Berufe stärkt.

Ein ganz zentrales Thema ist dabei für mich ein hohes Niveau bei der Aus- und Fortbildung sowie bei der Qualifizierung. Die für die Baukultur maßgeblichen Berufe erfordern nicht nur eine gute, sondern die bestmögliche Ausbildung. Auch im Bachelor- und Master-System muss das hohe Qualifikationsniveau deutscher Planer fortbestehen. Angesichts des Ingenieurmangels müssen die Studiengänge für den dringend benötigten Nachwuchs auch entsprechend attraktiv sein. Ebenso muss es um die Fortbildung der bereits im Beruf stehenden Planer gehen, und da sehe ich Kammern und Verbände in der Pflicht: Ohne eine kontinuierliche Fortbildung verlieren wir gerade in diesen Berufen an Wettbewerbsfähigkeit und inhaltlicher Lösungskompetenz.

Mit dem Inkrafttreten der letzten Novelle der HOAI in der vergangenen Legislaturperiode hat eine seit Jahren überfällige Reform ihr vorläufiges, aber nicht abschließendes Ende gefunden. Zur inhaltlichen Weiterentwicklung der HOAI in dieser Legislaturperiode gehört die dringend erforderliche fachliche Modernisierung und Aktualisierung der Leistungsbilder, ihre Anpassung an technische und rechtliche Entwicklungen, an veränderte Berufsbilder und an qualitätsorientiertes, energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen. Eine Preisverordnung, deren Leistungsgegenstände nicht mehr den Planungsanforderungen und dem Stand von Recht und Technik entsprechen, wird ihrer Zweckbestimmung letztendlich nicht mehr gerecht. Mein Haus wird sich bei der weiteren Novellierung für eine verstärkte Einbeziehung des Sachverstandes aus der Praxis einsetzen. Ich halte dies für eine notwendige Lehre aus der Vergangenheit.

Ökologie, Innovationspolitik und Infrastrukturplanung gehören für mich untrennbar zusammen. Die entsprechenden Bereiche in meinem Ministerium werden künftig auch im Sinne unserer außenwirtschaftlichen Aktivitäten stärker miteinander verzahnt. Gerade der Klimaschutz ist ein gutes Beispiel dafür, wenn es darum geht, deutsche Lösungskompetenz und deutsches Know-how auch im Ausland zu vermarkten. Wir schlagen da zwei Fliegen mit einer Klappe, indem wir unsere Wirtschaft stärken und gleichzeitig dem Klima helfen.

Als Architekten und Ingenieure gestalten Sie zentrale Bereiche unseres Zusammenlebens. Ihre Arbeit ist in bestem Sinne systemrelevant für die Zukunft unserer Städte und Regionen. Wir können viel erreichen, wenn wir gemeinsam handeln, auf der Basis eines ebenso nachdenklichen wie zupackenden Pragmatismus, der sich vom heute Machbaren nicht den Horizont für das Morgen verstellen lässt. Das alles sind gute Gründe, sich auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Ihnen zu freuen.

Ihr
Dr. Peter Ramsauer
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

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