Vergangenheit und Gegenwart

Dornier Museum in Friedrichshafen
in: BAUKULTUR 3_2010 (S. 25-27)

Materielle Zeugnisse zu bewahren und auszustellen, geschieht meist zum Nutzen der Gesellschaft und ihrer Entwicklung. Diesen relevanten Beitrag leisten mitunter private Einrichtungen und Personen. Damit reiht sich das Unternehmen Dornier in die Zahl namhafter Stifter von Privatmuseen ein, die ihre Sammlungen öffentlich zugänglich machen.

Dornier_1Räumliches Nebeneinander von Hangar und Museum (Foto: Jens Passoth, Berlin)

Architektonisches Konzept
Zur Dokumentation der Luft- und Raumfahrtgeschichte präsentiert sich das Dornier Museum in Ludwigshafen als Plattform für Projektion und Reflektion von Geschehen. Auf der einen Seite die Exponate und deren geschichtliche Einordnung, auf der anderen Seite die Besucher und ihr persönliches Erfassen und Erleben von Geschichte. Thematisch begründen sich darin Abgrenzung und Einbeziehung gleichermaßen. Darauf nimmt das architektonische Konzept für das Museum Einfluss, indem es Übergänge ermöglicht und gestaltet, ähnlich einem Flughafen in seiner transitorischen Funktion.

Bauliche Form
Museum und Flughafen, Vergangenheit und Gegenwart an einem Ort. Diese Gleichzeitigkeit manifestiert sich in einem bogenförmigen Rollweg, der gleichsam einer Abbiegespur dem Rollfeld im Süden vorgelagert ist. An seinem Scheitelpunkt wird er von einem Rechteck überstellt. Die Schnittfläche zeichnet den Grundriss des Museums. An den Längsseiten im Norden und Süden begrenzen gekrümmte Raumschalen die Ausstellungshalle, welche die Konturen des Rollweges zur rechtwinkligen Dachfläche führen. Im Westen und Osten fluchten die Schmalseiten des Daches jeweils über plane Hüllflächen auf den Rollweg. Die auskragenden Dachelemente an den Längsseiten des Gebäudes stören das dem Betrachter vertraute Bild einer Flugzeughalle, sodass der erkennbare Typus eines Hangars eine formale Umwandlung erfährt.

Charakter und Material
Dem Ausstellungsprogramm wurde ein räumliches Nebeneinander von Museum und Hangar zugrunde gelegt. Diese Bereiche als Einheit zu betrachten, begründet die an den Industriebau angelehnte Architektur. Nicht ein Museum mit Hangar, sondern ein Hangar als Museum.
Die Raumschalen bestehen aus transparenten Polycarbonatplatten. Dieser vorrangig im Industriebau eingesetzte Baustoff, der Leichtigkeit und Formbarkeit vermittelt, erfährt über die Dimension der Hüllfläche eine ihm nicht immanente Präzision, die ihn in Wahrnehmung und Wertigkeit wandelt.
Auf der Südseite ist der Raumschale außen liegend ein Punktraster appliziert, das die Sonneneinstrahlung mindert und die Linierung der Polycarbonatplatten überspielt. Die wenigen Tür- und Fensteröffnungen, letztere sind wie Schaufenster gerahmt und auf halber Höhe in die homogene Fläche eingeschnitten, geben Anhaltspunkte für die Maßstäblichkeit der Halle.
Auf der Nordseite sind die Polycarbonatplatten im Lieferzustand verbaut. Ihre gekrümmte Anordnung macht sie, je nach Blickwinkel, mal zu einem Filter, der das Innenleben nur schemenhaft wiedergibt, mal zu einem Spiegel, der die lichte Weite des Rollfeldes reflektiert.

Dornier_2Black Box mit Dokumenten zur Dornier-Firmengeschichte (Foto: Jens Passoth, Berlin)

Ausstellungsraum
Der lichte Ausstellungsraum wird durch eine aufgeständerte Black Box und eine Galerie entlang der Südfassade ergänzt. Die tragenden Rahmenkonstruktionen halten das Hallendach in gebührendem Abstand zum Boden. Die ordnende Struktur der Hallendecke, in der sichtbar und auf mehreren Ebenen Primär- und Sekundärträger, Licht- und Installationssysteme orthogonal verwoben sind, durchstößt an den Hallenlängsseiten die gekrümmten Raumschalen.

Museumsrundgang
Der Besucher betritt das Museum im Südosten unterhalb der Galerie. Der Rundgang startet über eine Wendeltreppe im Inneren der Black Box. In Bildern, Modellen und Texten wird hier die Geschichte des Unternehmens Dornier inszeniert. Eine Galerie führt den Besucher in den zweiten Teil der Ausstellung, wobei sie ihm einen Überblick über die historischen Exponate der Luft- und Raumfahrttechnik gewährt, die wie Skulpturen in der offenen Halle angeordnet sind. Fensterausschnitte erlauben den Blick über den Vorplatz in die Landschaft, die sich darin bildhaft abzeichnet.

Dornier_3Ausstellungshalle mit Großexponaten (Foto: Jens Passoth, Berlin)

Zurück im Erdgeschoss findet sich der Besucher auf einer Ebene mit den teilweise sehr groß dimensionierten Flugobjekten. Durch die dunkel getönte Westfassade, die raumhoch geöffnet werden kann, lässt sich die Spur des Rollweges in die Halle hinein verfolgen. Gemeinsam mit den Flugzeugen scheint man sich in einer Art Warteposition zu befinden.

Präzision und Unschärfe
Die Ambivalenz des Gebäudes im Außenraum erfährt eine innenräumliche Entsprechung. Unterstützt wird dieser Raumeindruck durch die besondere Lichtsituation. Die hellen Oberflächen, teilweise in Gitterroststrukturen aufgelöst, streuen das einfallende Tageslicht, welches von der glatten Oberfläche des Bodens reflektiert wird. Die Flugobjekte, obwohl greifbar, wirken surreal. Umgekehrt dringen durch die dunkel getönten Fensterflächen innerhalb der Polycarbonatfassade bildhafte Ausschnitte von Rollfeld und Startbahn in den Ausstellungsraum, die sich im Auge des Betrachters auf der transparenten Raumschale abstrakt ergänzen.

Baukonstruktion
Das Dornier Museums ist als gemischter Stahl- und Stahlbetonbau errichtet. Die Museumshalle, die Vordächer und die Auskragungen sind in Stahl ausgeführt. Die im Süden an das Gebäude anschließenden Kuppeln bestehen aus Stahlbeton. Die Black Box ist ein Stahltragwerk mit Verbunddecken und einem Kern aus Stahlbeton.
Die Halle wird in Querrichtung über Zweigelenkrahmen mit Doppelrahmen auf der Südseite ausgesteift, in Längsrichtung über Verbände. Die Black Box wird über den Stahlbetonkern ausgesteift. Diesem Aspekt kommt aufgrund der Lage des Gebäudes in Erdbebenzone 2, der zweithöchsten Erdbebenzone in Deutschland, eine nicht unerhebliche Rolle zu. Zur Steigerung der Effizienz der Abtragung von Horizontallasten wurden unter Einbeziehung der ohnehin erforderlichen Galeriestützen und deren Verlängerung bis zum Dach die Querrahmen als Zweifeldrahmen ausgebildet.

Klima- und Energiekonzept
Kernpunkte des Klima- und Energiekonzepts sind die Raumtemperierung über ein Flächenheiz- und Kühlsystem in der Bodenplatte des Hangars sowie die natürliche Lüftung des Gebäudes, insbesondere der Museumshalle. Hierzu sind regelbare Zuluftöffnungen im Unterflurbereich entlang der Nord- und Südfassade angeordnet, die Abluft ist mit den RWA-Öffnungen im Hallendach kombiniert. Zusätzliche Systeme (Fassaden-Unterflurkonvektoren, Deckenstrahlplatten) ermöglichen eine bedarfsgerechte Regulierung des Klimas in der Halle und ihren Sonderbereichen. Eine mechanische Lüftung, die das hygienisch notwendige Maß für die Frischluftzufuhr der Besucher garantiert, ist in der Black Box im Obergeschoss, in den Sonderbereichen (z.B. Gastronomie) und vollständig innen liegenden Räumen installiert. Damit eignet sich das entwickelte Klimakonzept sehr gut für die Bereitstellung von Heiz- und Kühlenergie auf Niedertemperaturniveau und damit für die effiziente Nutzung von Umweltenergien am Standort. Als zentrale Komponente einer wirtschaftlichen und ökologischen Nutzung ist das Geothermiefeld zu nennen, das aus 81 Erdwärmesonden unterhalb des Gebäudes besteht. Auf diese Weise wird erreicht, dass die Klimatisierung des Hauses – abgesehen von der Spitzenlastkühlung auf der Hangar-Galerie an besonders heißen Tagen – vollständig ohne mechanische Kälteerzeugung auskommt. Die Betriebskosten für die Gebäudeklimatisierung liegen deutlich unter denen konventioneller Konzepte. Auch die Umweltbelastung durch den Betrieb der Gebäudeklimatisierung, gemessen an den CO2-Emissionen, ist gegenüber einem herkömmlichen Konzept um ca. 50% reduziert, sodass pro Jahr knapp 100 t an CO2-Emissionen eingespart werden.

PROJEKTDATEN
Geladener Realisierungswettbewerb: 2006, 1. Preis
Fertigstellung: 2009
BGF: 7.000 m²
BRI: 61.100 m³
Gesamtkosten: 15 Mio. Euro

Projektbeteiligte
Bauherr: Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt, München
Planung: Architekten Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH, München
Projektleitung: Frank Karlheim
Mitarbeit: Christof Killius, Lisette Oberleitner, Ana Prikic, Kerstin Schaich, Katrin Wittmann
Innenarchitektur: Grego, Zürich
Ausstellungsarchitektur: Atelier Brückner GmbH, Stuttgart
Tragwerksplanung: Werner Sobek Ingenieure GmbH, Stuttgart
Fassadenplanung: R+R Fuchs, München
Techn. Gebäudeausrüstung: Laux, Kaiser & Partner Ingenieurgesellschaften mbH, Stuttgart
Energietechnik: TransSolar Energietechnik GmbH, München
Bauphysik: Ingenieurgesellschaft für Bauphysik Thor, Bergisch Gladbach
Tür- und Sicherheitstechnik: GEZE GmbH, Leonberg

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