Wiege der Ruhrindustrie

Industriearchäologischer Park des Rheinischen Industriemuseums in Oberhausen

Serie:  DAI Mitglieder im Blickpunkt
AFS Ahlbrecht - Felix - Scheidt, Generalplaner GmbH, Essen

in: BAUKULTUR 6_2008 (S. 8-9)

Ende 2007 lobten der Landschaftsverband Rheinland und die Stadt Oberhausen einen begrenzten Realisierungswettbewerb unter 8 Teilnehmern aus. Aufgabe war, einen Witterungsschutz und einen Besuchersteg für die industriearchäologischen Grabungen auf St. Antony in Oberhausen, der ersten Hochofenanlage der Region, zu entwickeln. Das Preisgericht empfahl im Februar 2008, die mit dem 1. Preis ausgezeichnete Arbeit der Architekten Ahlbrecht und Scheidt in Zusammenarbeit mit Architekt Kasprusch und Ingenieurbüro Schülke und Wiesmann mit den weiteren Planungsleistungen zu beauftragen.


Innovation gestern und heute
Die St. Antony Eisenhütte produzierte im 18. und 19. Jahrhundert gusseiserne Produkte von herausragender Qualität. Dieser innovative Geist im Umgang mit Metall ist Grundlage für die Materialwahl der neuen Dachkonstruktion, die als exemplarische Darstellung dessen dient, was mit geringstem Materialeinsatz in unserer Zeit möglich ist. Gleichzeitig erinnert die minimalistische Form des Daches in Schalenform an temporären Wetterschutz aus Zelttuch, das über archäologischen Fundstätten befestigt wird und das sich – gleichsam durch Windsog – nach oben wölbt. Die Dachschale liegt frei über der Ausgrabungsstätte und überdeckt die wesentlichen Teile der archäologischen Funde.

Industriearchäologie vermitteln
Die Besucher erhalten die Möglichkeit, am östlichen und westlichen Ende des Grabungsgeländes einzutreten. Zwei Sammelplattformen nehmen auch größere Gruppen auf und informieren über die Geschichte des Ortes.
Die behindertengerecht zugängliche westliche Eingangsplattform bietet einen Blick in die Landschaft und auf den hinter der Grabungsstätte renaturierten Bachlauf.
An die balkonartige Fläche bindet der ca. 80 cm über der Grabungsstätte verlaufende Steg aus einer Stahlkonstruktion mit Glasgeländern an. Dieser orientiert sich an der „Störung“ des verrohrten und überdeckten Bachlaufes und folgt dem orthogonalen System der ehemaligen Bebauung. Der Steg wird wechselseitig von „Informationsträgern“ gestützt, die alle wesentlichen Informationen zu den Fundstellen wie auch die Beleuchtung und mögliche Medien aufnehmen können.

Grabungsort in der Parklandschaft
Außerhalb des Grundstückes werden im Norden und Osten des Geländes zwei verglaste Einblickmöglichkeiten geschaffen, die Neugierde auf den Industriearchäologischen Park wecken. Die Böschungen der Ausgrabungsstätte bleiben als „Wunde“ in der Landschaft in ihrem rohen unbegrünten Zustand erhalten. Die umgebenden Flächen werden begrünt und wieder Teil der Parklandschaft. Der verrohrte Bach wird westlich der Grabung bis unter die Eingangsplattform freigelegt. Die Einfriedung des Museumsgeländes erfolgt über eine an Halme erinnernde freie Anordnung von eingespannten Corten-Stäben.

Schutz und Konzentration
Die Überdachung des Grabungsfeldes erfolgt mit einer Rippenschale aus Edelstahlblech. Ihre klare Geometrie und minimierte
Konstruktion bewirken eine Konzentration auf das Wesentliche. Die schützende, bewahrende Geste des Daches vermittelt dem Besucher etwas vom historischen Wert des Ortes. Die Großform des Daches ist Landmark und sichtbares Zeichen für
den besonderen Ort – die Wiege des Ruhrgebietes.

Tragwerksbeschreibung
Die Geometrie der Rippenschale ergibt sich aus der Translation einer Kurve konstanter Krümmung entlang einer polygonal angenäherten zweiten Kurve. Die Schale besteht somit aus aneinander gereihten Blechscharen, die in einer Richtung stetig gekrümmt, aber abwickelbar sind. In der anderen Richtung ist die Schale polygonal geknickt. Die Fußpunkte liegen auf einem Rechteck von 42,00 m x 21,00 m, der maximale Stich beträgt etwa 8,50 m, die Schalenfläche beträgt etwa 1.077 m². Die 5 mm starke Schalenfläche wird durch 2 Scharen senkrecht stehender und gekreuzt diagonal verlaufender Rippen versteift. Eine Rippenschar auf der Schalenoberseite, die andere Rippenschar auf der Schalenunterseite. Die Rippenhöhe ist dem Beanspruchungsverlauf in der Schale angepasst und variiert zwischen ca. 80 mm in der Mitte bis zu 150 mm am Rand. Der Schalenrand wird durch ein 150 mm hohes Randblech verstärkt und fasst die beiden Rippenschalen. Die Entwässerung der Schale erfolgt im Gefälle der oberen Rippenschar zu den Randblechen hin. Die oberen Rippen sind am Rand zur Schale hin ausgenommen, um den Wasserfluss zu gewährleisten.
Die Schale ruht auf 4 Fußpunkten, die auch die Ableitung des Regenwassers aufnehmen. Die Betonkörper dienen als Pfahlkopf für anschließende Pfahlböcke aus Kleinbohrpfählen, mit dem die horizontalen und vertikalen Gründungslasten in den Baugrund übertragen werden.

Genderhinweis
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