Das OLG Hamburg hat mit Beschluss vom 31.03.2014 – 1 Verg 4/13 – u.a. Folgendes entschieden:
- In der Phase zwischen Angebotsabgabefrist und Zuschlag sind Verhandlungen über Änderungen des Angebots unzulässig. Von diesem Nachverhandlungsverbot sind namentlich die wesentlichen Elemente des Angebots – die künftigen Vertragsparteien, der Vertragsgegenstand und der Preis – umfasst.
- Wird ein Angebot von einer Bietergemeinschaft eingereicht, führt ein identitätsändernder Wechsel im Mitgliederbestand der Bietergemeinschaft zum zwingenden Ausschluss vom Vergabeverfahren.
Der Auftraggeber (AG), eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, hatte Werbe- und Medialeistungen für eine von ihm betriebene Klassenlotterie im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Bieter B hatte in seinem Angebot erklärt, zusammen mit Fa. M, einer Tochtergesellschaft des B, als Bieter-/Arbeitsgemeinschaft anzubieten und eine gemeinschaftliche Bietererklärung abgegeben. Im Folgenden streiten die Beteiligten, ob B das Angebot als Einzelbieter mit M als Nachunternehmer abgegeben habe oder als Bietergemeinschaft. Gleichwohl beabsichtigt der AG, den Zuschlag auf das Angebot des B zu erteilen. Konkurrent A stellt nach erteilter Rüge Nachprüfungsantrag – mit dem Argument, dem B solle als Einzelbieter der Zuschlag erteilt werden, obwohl B sein Angebot für eine Bietergemeinschaft abgegeben habe. Gegen die Zurückweisung seines Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer legt er sofortige Beschwerde zum OLG ein.
Das OLG gibt Bieter A Recht. Das Angebot des B sei wegen eines vergaberechtlich unzulässigen Wechsels in der Person des Bieters von der Wertung auszuschließen. In der Phase zwischen Angebotsabgabe und Zuschlag dürften inhaltliche Änderungen am Angebot nicht vorgenommen werden. Dies ergebe sich aus dem Nachverhandlungsverbot in § 18 Satz 2 EG-VOL/A. Danach seien Verhandlungen, besonders über Änderungen der Angebote oder Preise unzulässig. Vom Nachverhandlungsverbot seien namentlich die wesentlichen Elemente des Angebotes – die künftigen Vertragsparteien, der Vertragsgegenstand, der Preis – umfasst. Als Rechtsfolge einer unstatthaften Nachverhandlung habe im Grundsatz die im Angebot angebrachte Änderung bei der Wertung außer Betracht zu bleiben. Sei hingegen die Person des Bieters ausgewechselt worden, scheide eine solche Sanktion aus. Bei einem derartigen Fall geböten vielmehr die vergaberechtlichen Prinzipien des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Transparenz, das geänderte Angebot insgesamt von der Wertung auszunehmen. Denn der Bieteraustausch führe, da ein Wirksamwerden, der Zeitpunkt und die genauen Umstände bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht offenbart würden, sowohl für den AG als auch für die Wettbewerber in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu einem Zustand völliger Intransparenz. Komme das Angebot von einer Bietergemeinschaft, führe ein identitätsändernder Wechsel im Mitgliederbestand der Bietergemeinschaft daher zu einem zwingenden Ausschluss aus dem Vergabeverfahren. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung, wem ein Angebot zuzurechnen sei, sei das zum Eröffnungstermin vorliegende Angebot. Bei Unklarheiten sei durch Auslegung aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu ermitteln, wer das Angebot abgegeben habe. Entscheidend sei, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte.
Anmerkung: Bieter sollten bereits vor der Angebotsabgabe definitiv entscheiden, ob sie sich im Rahmen einer Bietergemeinschaft oder als Einzelbieter bewerben. Ein Wechsel beinhaltet immer das hohe Risiko, vom Verfahren ausgeschlossen zu werden.
Weitere Informationen: ZIRNGIBL LANGWIESER, Rechtsanwälte Partnerschaft, www.zl-legal.de
Ansprechpartner: Michael Werner, Rechtsanwalt, Tel.: 030 – 88 03 31 235, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!