Ascherslebener Erklärung

Seit April 2016 gelten neue Vergabevorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der sog. EU-Schwellenwerte (Teil 4 des GWB ergänzt durch VgV und weitere Rechtsverordnungen).

Die Reform wurde auf Grundlage der EU-Richtlinie 2014/24/EU in nationales Recht umgesetzt und ist fristgerecht nach zwei Jahren auch in Deutschland in Kraft getreten. Es handelt sich um die umfassendste Vergaberechtsreform seit vielen Jahren.

Aschersleben
„Aschersleber Erklärung“ des DAI zur Vergaberechtsreform, die im April 2016 in Kraft getreten ist

Schrittweise wird bis Oktober 2018 die vollständige elektronische Vergabe in allen Bereichen eingeführt. Allein das deutsche öffentliche Vergabevolumen liegt bei ca. 350 Mrd. Euro pro Jahr. Die Absicht der EU-Kommission ist es, dieses Wachstumspotenzial stärker in eine europäische Wachstumsstrategie einzubetten.

Der DAI begrüßt grundsätzlich, dass die Reform auf den Weg gebracht wurde. Eine Entbürokratisierung der gesamten Vergabepraxis und eine Verschlankung der Strukturen waren überfällig. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung kann es nicht sein, dass öffentliche Vergabeverfahren sowie die Bewerbungen und Angebote darauf analog in Papierform durchgeführt werden.

Die Auswirkungen der Reform auf die Wettbewerbssituation insgesamt lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Während der Schwellenwert für europaweite Ausschreibungen bei Bauleistungen leicht von 5,186 Mio. € (bis 2016) auf jetzt 5,225 Mio. € Bausumme angehoben wurde, bleibt er mit Blick auf Planungsleistungen bei 209.000 € vorerst gleich. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es kleinere Einheiten – auf Auftragnehmer- und Auftraggeberseite – mittel- bis langfristig ohne juristische Betreuung bei größeren Bauvorhaben schwerer haben werden.

Ein anderer Punkt ist die Berücksichtigung einzelner Fachsparten des Planens und Bauens. Bauleistungen beinhalten auch die Fachsparten TGA, den Bereich Innenarchitektur und die Landschaftsarchitektur sowie die Gebäudebegrünung. Es ist offenbar schwer, in entsprechenden Leitfäden für Vergaben dieses alles angemessen zu berücksichtigen. Der DAI sieht überwiegend Vorteile in einer Vereinheitlichung, damit Ausschreibungen nicht zu komplex werden. Damit darf jedoch kein Automatismus verbunden sein, einzelne Fachsparten unberücksichtigt zu lassen. Die Vergabe bleibt aber immer auch eine Gratwanderung zwischen der Kompetenz des Leistungsanbieters, die im Übrigen der Bauherr zu Recht verlangt, und der Qualität seiner Arbeit – dokumentiert durch Größe und Projektrealisierungen.

Aus Sicht des DAI gibt es einige Stellen im neuen Vergaberecht, die im laufenden Praxistest der Reform unter Umständen präzisiert werden müssen. Was weiterhin verhindert werden muss, ist, dass nicht vereinbarte Leistungen nachträglich einseitig eingefordert werden können. Das bevorteilt u.U. den Auftraggeber und bringt den Leistungserbringer im Zweifel in eine prekäre Situation. Kleine und mittlere Büros können damit schnell überfordert werden.

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