Baukultur macht Schule

Leserbrief von Wolfgang Weise, AIV Augsburg

Hiermit möchte ich die in Ausgabe 6_2015 der Zeitschrift BAUKULTUR begonnene Diskussion zum Thema „Baukultur macht Schule“ aufgreifen. Als DAI Vertreter im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz habe mir die Aufgabe gestellt, Experten der praktischen Denkmalpflege – meist Architekten – dafür zu gewinnen, Schülern einer örtlichen Schule ein Baudenkmal, dessen Sanierung sie betreut haben, vorzustellen und als außerschulischen Lernort entdecken zu lassen. Durch die Unterstützung des Kultusministeriums und der Architektenkammer haben in Bayern seit 2007 über 100 Denkmalexperten mit über 100 Lehrkräften aus 2/3 der 97 bayerischen Land- und Stadtkreise zusammengearbeitet und fast 150 Projekte realisiert (www.denkmalschulen.de). Ähnliche Projekte habe ich in Niedersachsen, Baden-Württemberg (Jürgen Topper, AIV Stuttgart) und Berlin erfolgreich angeregt. Kultus- und Wissenschaftsministerium haben das Standardwerk „Erlebnis Denkmal“ ermöglicht, das der Kastner Verlag in Wolnzach vertreibt.
Vor einigen Jahren hat der DAI in Oldenburg beschlossen, dass jeder AIV einen Denkmal- bzw. besser einen Baukulturbeauftragten benennen sollte, der in seiner Region zusammen mit den Landesämtern für Denkmalpflege und den Architektenkammern das Thema Baukultur in die Schulen trägt und der dafür sorgt, dass AIV Mitglieder sich auf diesem Feld engagieren. Interessant wären Erfahrungsberichte seitens der Baukulturbeauftragten, wie sich die Zusammenarbeit mit den Schulen seitdem entwickelt hat.
In Bayern erhalten Architekten eine Erfolgsprämie in Höhe von 200 Euro von der Architektenkammer, wenn sie Bild- und Textmaterial für Ausstellungsplakate einreichen. Eine Broschüre zum Thema kann unter www.denkmalschulen.de im Menüpunkt „Unterrichtsmaterialien“ heruntergeladen werden. Um am Projekt „Denkmal und Schule“ teilzunehmen, müssen die Denkmal-experten mindestens drei Doppelstunden mit den Lehrkräften absolvieren. Ich bin der Meinung, dass die Architektenkammrn für diese Arbeit einen Stundensatz bezahlen sollten, der dem unserer Standesvertreter in der Architektenkammer entspricht. Ich meine außerdem, dass sich jeder AIV in seiner Region jedes Jahr mindestens an einer Schule in wechsenden Land- und Stadtkreisen engagieren sollte, um das Bewusstsein der Schüler für Baukultur zu schärfen. Geschickt gemacht („Tue Gutes und rede darüber“) könnte dieses baukulturelle Engagement sich auch als Akquiseinstrument erweisen.

Was nutzt "Denkmal und Schule" dem einzelnen teilnehmenden Architekten?

Bei der Beschäftigung der Schüler mit Denkmalen geht es darum, diese Denkmale in ihrer jeweiligen örtlichen Ausprägung als Identifikationsobjekte deutlich zu machen, die mit ihrem Dasein wesentlich zur Unverwechselbarkeit des Ortes beitragen. Eine zweite Komponente der Unverwechselbarkeit eines Ortes ist die Einbettung in die Landschaft und die Silhouette aus der Ferne. Auch andere erhaltenswerte Bauten des Ortes - seien sie älteren, neueren oder neuesten Datums - können zur Unverwechselbarkeit des Ortes, des Ortsbildes beitragen, wenn sie sozusagen auffallend gut gestaltet sind oder einen Bautyp darstellen, der für den Ort typisch ist.

Die Denkmale und andere erhaltenswerte Bauten „aus vergangener Zeit“ eignen sich gut als Identifikationsobjekte ortsbildprägenden Charakters, da sie in ihrer Bedeutung schon gut beschrieben sind, was für die anderen Komponenten - landschaftliche Einbindung, Einbettung und baukultureller Wert neuer Bauten - nicht so zutrifft.

Wenn man sich als Architekt, der vor Ort ein Denkmal betreut, die Zeit nimmt, dieses Denkmal Schülern zu vermitteln, dann hebt man dadurch das kulturelle Bewusstsein der Bevölkerung und tut gleichzeitig auch etwas für das eigene Renomee, den eigenen guten Ruf und gewinnt dadurch vielleicht neue Kunden und neue Aufträge, denn die Schüler erzählen natürlich zu Hause von einem solchen lebenspraktischen Unterricht durch Fachleute.

Gleichzeitig könnte auch unser Kampf für die Beibehaltung der HOAI an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn jemand doch einige Zeit in ein solches Projekt steckt, denn es könnte darauf ankommen, dass auch die Nicht-Architekten dieses Ansinnen unterstützen.

Wer sich die Zeit nimmt, für einen vergleichsweise niedrigen Lohn zu arbeiten, der steigt hoffentlich in der Achtung der Menschen, die davon hören – hier vor allen Dingen die Eltern der Schüler; schließlich haben ja schon über 100 bayerische Denkmalfachleute mitgemacht und das aus dem ganzen Land, denn wir verfolgen ja einen flächendeckenden Einsatz.

Ich finde es deshalb wichtig, dass wir als Kammermitglieder versuchen, Denkmalkultur, Baukultur, Planungskultur in die Schulen zu tragen.

Außerdem sollte man neben den kulturellen sowie den Mitbestimmungs- und Mitbeteiligungsaspekten die rein materielle Seite der Instandhaltung des Gebäudebestandes generell nicht vernachlässigen. Instandhaltungsinvestitionen und überhaupt Bestandsinvestitionen nehmen einen immer größeren Teil des Umsatzes der Bauindustrie ein – dieser Anteil wird in Zukunft sicher noch zunehmen und kann auch höchst effektiv und nachhaltig Stichwort „Graue Energie“ sein.

Also über Denkmale als Kulturgut erhalten, wegen ihrer Bedeutung für unser kulturelles Erbe zu Erhalt und Instandhaltung anderer erhaltenswerter Bauten und überhaupt zum Erhalt und zur behutsamen Weiterentwicklung von Bestandsbauten aus Gründen der Energieeinsparung und Ressourcenaschonung und der Nachhaltigkeit.

Deshalb sollten möglichst viele Architekten und Planer in die Schulen und auch die Volkshochschulen gehen, um für diese Arbeit des Erhalts von Kulturgut und Bestandsbauten zu werben und gleichzeitig bzw. nach meiner Auffassung in einem zweiten Schritt auch die Neubauten erklären, die ja zum Teil die Denkmale von morgen sind und die mit hohem Aufwand geplant und errichtet werden, um ihren Beitrag zur Energiewende leisten zu können. Die Energiewende ist ohne eine massive Beschäftigung mit den 90 % ressourchenverschleudernden Bestandsbauten nicht zu schaffen. Deshalb ist die Beschäftigung mit den Bestand und seiner Weiterentwicklung so wichtig. Dies sollten Architekten und Planer in die Bevölkerung auch hineintragen. Langfristig der erfolgversprechendste Ansatz ist nach meiner Meinung das flächenhafte Hineingehen in die Schulen. Dazu möchte ich die Kollegen auffordern. Die Instrumente dazu (Unterrichtsmodule, Hilfen) sind vorhanden. Die interessierten Lehrer unterstützen bzw. sind froh, wenn sie von den komplizierten fachlichen Einzelfragen entlastet werden.

Als ersten Schritt sollte es in jedem Stadt- und Landkreis mindestens eine Grundschule geben, die kontinuierlich mit einem oder mehreren Architekten kooperiert und jedes Jahr oder jedes zweite Jahr ein Projekt "Denkmal und Schule" betreibt und im darauf folgenden Schuljahr das durchgeführte Projekt anderen (Grund)Schulen im Landkreis vermittelt.

Auch im vergangenen Schuljahr haben sich wieder Architekten-Kollegen bereit gefunden, im Rahmen des Projekts "Denkmal und Schule" Schülern die Denkmale ihrer Heimat zu vermitteln. Hierfür etwa 12 Zeitstunden aufgewendet zu haben, hat den Kollegen Spaß gemacht, und wurde auch mit einer Erfolgsprämie der Architektenkammer gewürdigt, wenn Fotos und kurze Beschreibungen abgegeben wurden, die Eingang in die neue Publikation „Erlebnis Denkmal“ gefunden haben. Architekten, Lehrer und Schüler haben für ihre Teilnahme Urkunden erhalten.

Weitere Informationen: www.denkmalschulen.de  und  www.byak.de

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