Zur Pflicht des Auftraggebers, Angebote aufzuklären

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 35/15 – u.a. Folgendes entschieden:

1. § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bezieht den Anwendungsbereich der Nachforderung ausschließlich auf solche Erklärungen oder Nachweise, die von Bietern bereits mit dem Angebot vorzulegen sind.
2. Der öffentliche Auftraggeber darf Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls im Sinne von § 13 EG Abs. 1 Nr. 4, § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich „ausschlusswürdig“ sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne den vom Ausschluss bedrohten Bieter zuvor zu einer Aufklärung über den Angebotsinhalt aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte ein Autobahnlos im Offenen Verfahren europaweit nach VOB/A ausgeschrieben; die Bieter hatten mit dem Angebot eine Liste der Leistungen einzureichen, die durch Nachunternehmer ausgeführt werden sollten. Nach Submission forderte der AG die Namen und Verpflichtungserklärungen der vorgesehenen NU an. Bei einer OZ bezüglich Planungsleistungen für ein Traggerüst vermerkte der Bestbieter A auf seiner eingereichten Nachunternehmerliste „Eigenleistung, keine NU-Leistung“ und gab daher keinen Nachunternehmer an, obwohl die Leistung laut Angebot eine NU-Leistung sein sollte. Der AG schloss darauf das Angebot des A wegen Widersprüchlichkeit der NU-Angaben von der Wertung aus. Dagegen wendet sich A mit seinem Nachprüfungsantrag.

Das OLG gibt hier Bieter A Recht und klärt grundsätzlich das Verhältnis zwischen Nachforderung und Aufklärung. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG beziehe den Anwendungsbereich der Nachforderung ausschließlich auf solche Erklärungen oder Nachweise, die vom Bieter bereits mit dem Angebot vorzulegen seien. Dies folge schon aus dem Wortlaut der Vorschrift („Fehlen geforderte Erklärungen oder Nachweise...“), aber auch aus deren Sinn. Aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG werde deutlich, dass sich das Fehlen von Erklärungen oder Nachweise auf das Angebot beziehen müsse, mit anderen Worten, dass Erklärungen oder Nachweise aufforderungsgemäß mit dem Angebot vorgelegt sein sollten. Für alle anderen Unterlagen, die nicht schon zur Angebotsabgabe vorzulegen seien, gelte § 16 EG VOB/A nicht. Hier habe keine Nachforderungspflicht bestanden, da eine geforderte Erklärung nicht gefehlt habe. A habe zur Nachunternehmerschaft eine Erklärung abgegeben, die (wegen Widerspruchs zu seiner früheren Erklärung) nur inhaltlich zu beanstanden gewesen sei. Derartige Fallgestaltungen unterfielen nicht der Nachforderungspflicht, für die grundsätzlich darauf abzustellen sei, ob eine geforderte Erklärung oder ein Nachweis tatsächlich überhaupt nicht eingereicht worden sei, mithin in einem physisch zu verstehenden Sinn fehle. Hier habe der AG das Angebot des A jedoch nicht ohne vorherige Aufklärung über dessen Inhalt von der Wertung ausschließen dürfen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EG dürfe sich der AG bis zur Auftragserteilung bei einem Bieter jederzeit über die Eignung, die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung Aufklärung verschaffen. Der öffentliche Auftraggeber sei praktisch zur Aufklärung verpflichtet, weil er wegen eines Widerspruchs einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen dürfe. Er habe dann von sich aus, und zwar für Bieterunternehmen klar und eindeutig erkennbar, das Verfahren nach § 15 VOB/A-EG einzuleiten und den Bieter in schriftlicher Form zur Aufklärung aufzufordern.

Anmerkung

Die Entscheidung ist in seiner Eindeutigkeit sehr zu begrüßen, da sie das Verhältnis zwischen der Pflicht zur Nachforderung von Unterlagen/Erklärungen und der Pflicht zur Aufklärung bei Unklarheiten im Angebot grundsätzlich und eindeutig klärt. Bei Angebotsdefiziten bzw. Widersprüchen ist danach der AG grundsätzlich verpflichtet, zwingend aufzuklären bzw. beim Bieter nachzufragen; damit verbietet sich ein automatischer Angebotsausschluss wegen „widersprüchlicher Angaben“. Dieser Grundsatz ist dann von noch größerer Bedeutung, wenn – wie hier – das Angebot des Bieters als das wirtschaftlich günstigste den Zuschlag hätte erhalten müssen.

Weitere Informationen: ZIRNGIBL LANGWIESER, Rechtsanwälte Partnerschaft, www.zl-legal.de

Ansprechpartner: Thomas Schneider, Rechtsanwalt, Tel.: 030 - 880 331 - 234, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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